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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Specksteinschnitzerei ein winziges lebendiges Tier. Die Wahrheit zuzugeben ist vermutlich das Richtige, sagte sie sich, doch ihr war klar, dass sie mit ziemlicher Sicherheit ihre Stellung verlieren würde. Sie würde in die Kinderklassen zurückkehren und wieder den verhassten blauen Kittel tragen… nein, das wäre unerträglich. Wieder spielte sie mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen, doch dann fielen ihr die mörderischen Klauen der Kreatur ein und wie nahe sie bereits dem Tod gewesen war.
    Du musst kämpfen!, sagte sich Lirael. Sie hatte sich selbst in Schwierigkeiten gebracht und würde auch selbst damit fertig werden. Sie musste herausfinden, was diese Kreatur war und wie sie besiegt werden konnte, und sie dann vernichten. Dieses Ungeheuer konnte nicht heraus – hoffte sie zumindest –, und niemand konnte hinein, also wurde das Ungeheuer zu keiner Gefahr für andere Bibliothekarinnen. Blieb die Frage, wie sie ihren aufgeschlagenen Kopf, die zerkratzten Füße, die Blutergüsse, die verschwundene Maus, ihre verlorene Stimme und ihr ramponiertes Aussehen erklären sollte.
    »Ich kann genauso gut darüber nachdenken, während ich weitergehe«, flüsterte sie der Hundestatuette zu. Sie fand es seltsam beruhigend, zu dem Hündchen zu reden und es in der Hand zu halten. Sie betrachtete, wie es dasaß, den Schwanz um die Hinterbeine geschlungen, den Kopf hochgereckt und die Vorderbeine aufgestützt, als würde es auf seine Herrin warten.
    »Ich wollte, ich hätte einen richtigen Hund«, fügte Lirael hinzu und stöhnte, als sie aufstand und sich langsam den spiralförmigen Korridor entlangplagte. Dann blieb sie stehen und blickte erneut auf die Statuette hinunter – und hatte einen plötzlichen Einfall: Sie könnte einen Chartersendling in Hundegestalt erschaffen. Dazu brauchte sie bloß den Band
Die Erschaffung von Sendungen
und vielleicht
Die Erschaffung von magischen Wesen und ihre Beherrschung.
Beide waren natürlich weggesperrt, aber Lirael wusste, wo die Bände standen.
    Lirael lächelte bei dem Gedanken, einen eigenen Hund zu haben. Einen wahren Freund – jemand, mit dem sie reden konnte, der ihr keine Fragen stellen würde und selbst nicht sprach. Ein liebevoller und liebenswerter Gefährte. Sie steckte die Statuette zurück in ihre Wamstasche und humpelte weiter.
    Blieb noch das Problem, dass sie sich eine Erklärung für ihre Verletzungen und die verlorene Maus ausdenken musste, ohne
zu
sehr zu flunkern. Lirael fand, dass sie der Bibliothek viel schuldete, und wollte nicht dreist lügen. Außerdem befürchtete sie, sich in Widersprüche zu verwickeln, falls es zu einer strengen Befragung durch die Oberbibliothekarin oder eine andere Vorgesetzte kam.
    Ein Sturz würde ihre Kopfverletzung erklären. Lirael betastete noch einmal die Verletzung. Sie blutete nicht mehr, aber ihr Haar war blutverkrustet und es bildete sich eine dicke Beule. Dass ihre Stimme versagte, könnte sie damit erklären, dass sie beim Sturz einen Schreckensschrei ausgestoßen hatte. Bei diesem Sturz könnten auch die Knöpfe abgerissen und könnte die Maus aus ihrer Tasche gefallen sein…
    Ja, der Sturz eine Treppe hinunter war die beste Erklärung, erst recht, wenn jemand sie am Fuß der Treppe fand. Dann würde sie auch nicht viel erklären müssen.
    Sie brauchte nicht lange, sich für die Fünfte Hintertreppe zwischen der Hauptwendeltreppe und der Halle der Kinder zu entscheiden. Unterwegs konnte sie am Zally-Gedenkbrunnen Halt machen und ein Glas Wasser mitnehmen – ein zerbrochenes Glas würde ihre zerkratzten Füße erklären.
    Jetzt musste sie nur noch dorthin kommen, ohne unterwegs jemandem in die Arme zu laufen. Nach den letzten großen Zusammenkünften der Wache zu schließen, würde die Fünfzehnachtundsechzig nicht mehr lange dauern. Es gab einen Zusammenhang zwischen der Größe einer bestimmten Wache und ihrer Dauer. Die normale Neunundvierzig dauerte neun Tage – daher auch ihr Name. Doch wenn mehr Personen mit einbezogen wurden, kehrten die Clayr viel eher zurück. Die letzte Wache hatte nicht einmal einen vollen Tag beansprucht.
    Je näher Lirael der Halle der Kinder kam, desto größer wurde die Gefahr, dass sie Kindern oder anderen begegnete, die nicht zur Wache gerufen worden waren. Lirael beschloss, eine Ohnmacht vorzutäuschen, falls jemand sie sah, und darauf zu hoffen, dass der oder die Betreffende nicht zu neugierig wurde.
    Aber sie traf niemanden, bevor sie von der Wendeltreppe abbog, ein Glas Wasser

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