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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Dann erst wurde ihr bewusst, dass sie nicht auf einer Matratze lag, sondern voll bekleidet auf kaltem Stein.
    Zögernd berührte sie ihren Kopf, und ihr klebriger Finger verriet ihr, was die Nässe war. Sie blickte auf das helle Blut. Schwindel erfasste sie. Nicht einmal um Hilfe konnte sie rufen, weil ihr Hals wie zugeschnürt war, so dass sie nur wortloses Krächzen hervorbrachte.
    Jetzt erst erinnerte sie sich, was sie versucht hatte, und grelle Panik vertrieb ihr Schwindelgefühl. Sie bemühte sich, den Kopf zu heben, doch es tat viel zu weh. Stattdessen drehte sie sich auf die Seite, um zur Tür zu blicken.
    Sie war geschlossen; das Ungeheuer schien sich in nichts aufgelöst zu haben. Unsicher, ob es nicht nur Einbildung war, starrte Lirael auf die Tür, bis die Holzmaserung zu verschwimmen schien. Erst als sie überzeugt war, dass sie sich nicht täuschte, wandte sie den Kopf ab und übergab sich. Die ätzende Gallenflüssigkeit brannte in ihrer Kehle.
    Dann lag sie still da und versuchte ihren Atem und ihren stolpernden Herzschlag zu beruhigen. Bei einer weiteren behutsamen Untersuchung ihres Kopfes stellte sie fest, dass das Blut bereits verkrustete, es war also vermutlich nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick ausgesehen hatte. Viel schlimmer war es um ihre Kehle bestellt, die vom Sprechen eines Hauptcharterzeichens, für das ihr die Kraft oder Erfahrung gefehlt hatte, verletzt war. Lirael bemühte sich, ein paar Worte zu sagen, doch immer noch drang nur ein heiseres Krächzen über ihre Lippen.
    Als Nächstes untersuchte sie ihre Füße. Sie waren zum Glück mehr zerkratzt als zerschnitten, obwohl ihre Schuhe so viele Löcher aufwiesen, dass sie völlig abgetragenen Sandalen glichen. Im Vergleich zum Kopf ging es ihren Füßen gut.
    Lirael stand auf, wozu sie allerdings mehrere Minuten benötigte, obwohl sie sich gegen die Wand stützte. Weitere fünf Minuten brauchte sie, um sich nach ihrem Dolch zu bücken und ihn vorsichtig in die Scheide zu stecken.
    Nach dieser Anstrengung stand sie eine Zeit lang still da, bis sie sich kräftig genug fühlte, die Tür zu begutachten, die nun fest geschlossen war und keine Lücke mehr zeigte. Lirael vermochte den Zauber zu spüren sowie das magische Schloss, das die Tür zuhielt. Niemand konnte jetzt noch hinein, ohne Liraels Zauber zu brechen, nicht einmal die Oberbibliothekarin.
    Sie stieg ein paar Stufen die Hauptwendeltreppe hinauf, musste sich dann aber setzen, weil sie zu schwach war, weiterzusteigen. Halb bewusstlos lehnte sie sich an die Wand, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Fast eine Stunde saß sie so, bis sie endlich den Versuch machte, sich über ihren Zustand klar zu werden. Ihr Kopf war blutverkrustet, ihr Wams ohne Knöpfe und zerrissen. Außerdem hatte sie ihre Notfallmaus verloren. Für das alles würde sie eine Erklärung brauchen.
    Der Verlust der Maus erinnerte Lirael an die Statuette. Ihre Hände waren schrecklich ungeschickt, doch schließlich gelang es ihr, die kleine Steinfigur aus der Tasche zu ziehen und auf ihren Schoß zu stellen.
    Es war ein aus weichem, graublauem Speckstein geschnitztes Hündchen, das sich in ihrer Hand angenehm anfühlte. Allerdings sah es mit seinen spitzen Ohren und der scharfen Schnauze bedrohlich aus. Andererseits streckte es die Zunge ein kleines Stückchen aus dem Mundwinkel und schien freundlich zu grinsen.
    »Hallo, Hund«, wisperte Lirael mit einer noch so schwachen Stimme, dass sie sogar Schwierigkeiten hatte, sich selbst zu hören. Sie mochte Hunde, obwohl es in den höheren Regionen des Gletschers keine gab. Die Jäger hatten einen Zwinger für ihre ausgebildeten Hunde unweit des Großen Tores, und manchmal brachten Besucher ihre Hunde mit in die Unterkünfte für Gäste und ins Untere Refektorium. Lirael hatte stets ein freundliches Wort für die Tiere, selbst wenn es sich um riesige Wolfshunde mit Zughalsbändern handelte. Die Hunde waren stets freundlich zu ihr, oft freundlicher als ihre Besitzer, die sich ärgerten, wenn Lirael nur zu ihren Hunden sprach, nicht aber zu ihnen.
    Nachdenklich betrachtete Lirael die Hundestatuette. Sollte sie Imshi oder einer vorgesetzten Bibliothekarin von der schrecklichen Kreatur erzählen, die sich jetzt in dem Raum mit den Blumen herumtrieb? Sollte sie gestehen, dass sie die zusätzlichen Schlüsselzauber in ihrem Armband geweckt hatte?
    Sie blieb scheinbar endlos lange sitzen, dachte nach und kraulte den steinernen Kopf des Hundes, als wäre die

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