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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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dreißig Fuß zur Tür. Dort vergewisserte sie sich, dass die mechanische Maus in ihrer rechten Wamstasche war und das Silberfläschchen in ihrer linken. Dann zog sie Binder aus der Scheide und hielt ihn mit ausgestreckten Armen vor sich. Die Charterzeichen auf der Klinge fingen grell zu leuchten an, als sie den Feind witterten, und Lirael spürte die schlummernde Kraft der Magie des Schwertes. Binder hatte schon viele gefährliche Kreaturen getötet; das wusste Lirael, und dieses Wissen erfüllte sie mit Hoffnung, bis ihr klar wurde, dass dies bestimmt das erste Mal war, dass eine Vierzehnjährige die Waffe schwang – ein Mädchen, das nicht einmal genau wusste, was es tat.
    Ehe dieser Gedanke sie lähmen konnte, streckte Lirael die Hand aus und brach den Schließzauber an der Tür. Wie die Hündin gesagt hatte, war der Zauber durch Freie Magie verwittert – so stark, dass er bereits bei ihrer leichten Berührung und einem geflüsterten Befehl zerbröckelte.
    Dann fächelte sie mit dem Handgelenk. Die Smaragde an ihrem Armband blitzten, und die Tür öffnete sich mit leisem Knarren. Lirael wappnete sich gegen einen plötzlichen Ansturm des Stilken, aber da war nichts…
    Zögernd trat sie durch die Tür, schnüffelte nach dem Geruch von Freier Magie und hielt nach Hinweisen auf die Anwesenheit des Ungeheuers Ausschau.
    Anders als bei ihrem früheren Besuch leuchtete kein helles Licht jenseits des Korridors – nur ein gespenstisches Glühen, eine Chartermagie-Imitation von Mondschein, der alle Farben in Grauschattierungen verwandelte. Irgendwo in dem Halbdunkel lauerte der Stilken. Lirael hob das Schwert höher und trat weiter in den Raum. Die Blumen raschelten unter ihren Füßen.
    Die Fragwürdige Hündin folgte ihr in einem Abstand von etwa zehn Schritten. Jedes Haar auf ihrem Rücken war aufgestellt und sie knurrte tief in der Kehle. Zwar gab es hier Spuren des Stilken, doch keinen frischen Geruch. Das Ungeheuer versteckte sich irgendwo im Hinterhalt. Fast hätte die Hündin eine Bemerkung gemacht, erinnerte sich dann aber, dass Lirael den Stilken allein besiegen musste. So legte sie sich auf den Bauch und sah zu, wie Lirael weiter durch die Blumen schritt – zum Teich und zum Baum, wo der Stilken bestimmt schon auf der Lauer lag.

13
     
    STILKEN UND FREMDARTIGE MAGIE
     
    Wieder staunte Lirael über die Stille in der gewaltigen Blumenhöhle. Vom leisen Rascheln ihrer Schritte abgesehen, war kein Laut zu hören.
    Immer wieder drehte sie sich um und überzeugte sich davon, dass sich nichts an sie heranschlich, während sie die Höhle zur Mondtür durchquerte. Die Tür stand jetzt einen größeren Spalt offen, doch Lirael ging nicht hindurch, weil sie befürchtete, der Stilken könnte sie einschließen, falls er sich doch noch irgendwo in der Blumenwiese versteckt hielt.
    Falls die Bestie in der Höhle lauerte, dann am ehesten im Schatten des Baumes. Lirael malte sich aus, dass der Stilken sich wie eine Schlange um einen Ast wand und seine Silberaugen sie durch das dichte Laub beobachteten.
    In dem seltsamen Licht war die Eiche bloß ein riesiges, schattenhaftes Gebilde. Der Stilken könnte sich sogar hinter dem Stamm aufhalten und langsam herumgehen, so dass der Baum stets zwischen ihm und Lirael blieb. Lirael nahm den Blick nicht von der Eiche und hielt die Augen so weit offen, wie sie konnte, um ein mögliches Glitzern oder eine Reflexion des Stilken zu bemerken. Doch immer noch regte sich nichts.
    Schließlich ging Lirael auf den Baum zu. Ihre Schritte wurden zusehends kürzer und ihr Magen verkrampfte sich vor Angst. Sie war so sehr auf den Baum konzentriert, dass sie den Teich übersah, dessen Wasser sich unter dem künstlichen Licht für einen Augenblick kräuselte, bevor es wieder still und dunkel wurde.
    Lirael machte sich daran, um den Teich herumzugehen. Sie konnte nun Blätter und einzelne Zweige der Eiche ausmachen, aber da waren auch seltsame dunkle Schatten, die alles Mögliche sein mochten. Jedes Mal, wenn sie die Augen bewegte, vermeinte sie eine Bewegung in der Dunkelheit zu sehen.
    Es wurde Zeit, Licht zu machen, auch wenn sie damit verriet, wo sie sich befand. Sie griff in die Charter, und die erforderlichen Zeichen begannen in ihrem Kopf zu schwimmen – und verloren sich, als der Stilken blitzartig aus dem Teich neben ihr auftauchte und sie mit seinen Hakenkrallen angriff.
    Irgendwie warf Binder sich den tödlichen Krallen mit einem Aufsprühen weißer Funken entgegen. Dampf stieg auf.

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