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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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nicht. Er vermochte kaum die Augen offen zu halten; dies allein schon erforderte sämtliche Willenskraft und Energie, die ihm geblieben waren.
    Und immer noch sprach der Nekromant. Die Worte woben sich um Sam, bis er endlich das einzig Wichtige verstand: Der Nekromant sandte ihn ins Leben zurück – jedoch gefesselt, so dass Sam tun musste, was ihm aufgetragen wurde.
    Aber das spielte keine Rolle. Nichts spielte für Sam eine Rolle, nur, dass er ins Leben zurückkehrte. Es war ihm gleich, dass er dem Willen des Zauberers Untertan war und irgendeinem schrecklichen Zweck dienen sollte. Hauptsache, er war zurück im Leben…
    »Du wirst im Leben zu mir kommen, nahe der Stelle, wo die Straße einsinkt und die Gräber gebrochen sind!«, befahl der Nekromant, als der Zauber sich so eng um Sam geschlossen hatte, dass er sich wie eine Fliege fühlte, die in ein Spinnennetz geflogen war und sich unentrinnbar darin verfangen hatte. Der Zauber musste erst noch von der Glocke Saraneth besiegelt werden. Sam versuchte sich zu wehren, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Er versuchte die Charter zu erreichen, doch statt des kühlen Trostes endlos fließender Zeichen spürte er einen gewaltigen Mahlstrom lebenden Feuers, der seinen Geist genauso lähmen wollte, wie es bereits mit seinem Körper geschehen war.
    Dann erklang Saraneth, tief und leise, und Sam schrie. Der Schrei schnitt misstönend durch Saraneths befehlenden Klang, und die Glocke in der Hand des Nekromanten schrillte und knarrte plötzlich. Sofort ließ er Sam los. Seine freie Hand brachte den Klöppel zum Schweigen, denn eine derart misstönende Glocke konnte katastrophale Folgen für jenen haben, der sie schwang.
    Als die Glocke schließlich verstummt war, wandte der Nekromant seine Aufmerksamkeit wieder dem Jungen zu. Doch von Sam war nichts mehr zu sehen – und es war unmöglich, dass die Strömung ihn so rasch hätte davonreißen können…

     

17
    NICHOLAS UND DER NEKROMANT
     
    Als Sam ins Leben zurückkehrte, hörte er das Geknatter von Maschinengewehren und sah, dass die Gegend schwarz und weiß von Leuchtgranaten war, die langsam durch den Regen fielen.
    Eis krachte, als er sich bewegte, und bildete seltsame Muster auf seiner Kleidung. Er machte einen halben Schritt vorwärts und fiel schluchzend vor Schmerz und noch immer benommen vom Schock auf die Knie. Seine Finger gruben sich in die schlammige Erde, als wollte er sich vergewissern, dass er zurück in der wirklichen Welt und unter den Lebenden war, nicht im Tod.
    Nur ganz allmählich wurde ihm bewusst, dass jemand zu ihm sprach und ihm half, wieder auf die Beine zu kommen. Aber er konnte nicht richtig hören, weil die Worte des Nekromanten wie Echos in seinem Kopf widerhallten und ihm befahlen, was er tun musste. Mit vor Frost klappernden Zähnen versuchte er, selbst etwas zu sagen, und tat es ungewollt im Rhythmus des Gewehrknatterns.
    »Nekromant… eingesunkene Straße… Nähe von Gräbern.« Er wusste nicht wirklich, was er sagte oder zu wem er sprach. Jemand berührte sein Handgelenk, und er schrie. Ein jäher Schmerz durchzuckte seinen Körper, und die Leuchtgranaten, die immer noch vom Himmel fielen, blendeten ihn. Plötzlich übermannte ihn erneut die Finsternis, und er stürzte abermals zu Boden. Sam hatte das Bewusstsein verloren.
    »Er ist verletzt«, sagte Nick und starrte auf die Fingerabdrücke an Sams Handgelenk, die zu Blasen aufgeplatzt waren. »Irgendwie verbrannt.«
    »Was?«, fragte der Sergeant. Er blickte den Hang hinunter und beobachtete, wie rote Leuchtgranaten vom benachbarten Hügel auf die Straße fielen. Dann waren hin und wieder Schüsse und vereinzelte Explosionen zu hören. Offensichtlich kämpften sich die Perimetertruppen zu der Stelle vor, wo sich der Sergeant und die Schüler befanden. Den Sergeanten beunruhigte die Vorgangsweise der MG-Schützen, die nur in eine Richtung feuerten.
    »Sam hat Brandwunden!«, rief Nick, der den Blick nicht vom Handgelenk seines Freundes abwenden konnte. »Wir müssen etwas tun!«
    »Allerdings«, bestätigte der Sergeant. »Die Jungs dort unten treiben die Toten auf uns zu. Sie glauben wahrscheinlich, dass wir bereits erledigt sind, weil sie alles andere als überlegt vorgehen. Wir werden gleich einige Salven abbekommen, wenn wir nicht verschwinden.«
    Wie um seiner Bemerkung Gewicht zu verleihen, schoss eine Leuchtrakete hoch über sie; gleich darauf krachte eine ganze Salve über ihre Köpfe hinweg. Alle duckten sich. Der

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