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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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auf, sah das stumpfgraue Licht des Todes und spürte die Flussströmung an den Beinen. In der Ferne vernahm er das Tosen des Ersten Tores und erschauerte…
    In der Welt der Lebenden sahen Nick und der Sergeant, wie Sam am ganzen Körper erstarrte. Ein Nebel kam aus dem Nichts und schlang sich wie eine Ranke seine Beine hinauf. Während sie ihn weiter beobachteten, bildete sich Raureif auf seinem Gesicht und den Händen – wie eine eisige Hülle, die der Regen nicht ab waschen konnte.
    »Ich kann nicht glauben, was ich sehe«, flüsterte Nick, als er von Sam weg und hinunter auf die sich nähernden Toten schaute.
    »Das sollten Sie aber«, entgegnete der Sergeant grimmig. »Denn diese Kreaturen da unten werden Sie töten, ob Sie an sie glauben oder nicht.«

     

16
    IN DEN TOD
     
    Vom fernen Tosen des Wasserfalls, der das Erste Tor darstellte, abgesehen, war es im Tod völlig still. Sam hielt sich dicht an der Grenze zum Leben, lauschend und Ausschau haltend. Aber er vermochte nicht sehr weit zu sehen in dem seltsamen grauen Licht, das alles zu erdrücken und die Perspektive zu verzerren schien. Wirklich erkennen konnte er nur den Fluss, dessen Wasser völlig dunkel war, bis auf die Stelle, wo es sich in hellen Wirbeln gegen seine Knie warf.
    Sam machte sich auf, ging direkt am Rand des Todes entlang, wobei er gegen die Strömung ankämpfen musste, die ihn mit sich zu reißen versuchte. Er vermutete, dass sich auch der Nekromant dicht an der Grenze zum Leben aufhielt, doch ob er sich in die richtige Richtung bewegte, um ihn oder sie zu finden, wusste Sam nicht.
    Er bewegte sich viel vorsichtiger als beim letzten Mal, da er im Tod gewesen war – vor einem Jahr, an der Seite der Abhorsen, seiner Mutter. Es fühlte sich ganz anders an, jetzt, da er allein und unbewaffnet war. Sicher, er könnte ein wenig Kontrolle über die Toten gewinnen, wenn er pfiff oder in die Hände klatschte, doch ohne die Glocken konnte er ihnen weder befehlen noch sie bannen. Er war zwar ein überaus fähiger Chartermagier, doch der Nekromant mochte ein Adept Freier Magie und viel stärker sein als er.
    Seine einzige wirkliche Chance wäre, sich an den Nekromanten heranzuschleichen und ihn zu überraschen. Das wäre jedoch nur möglich, wenn der Nekromant völlig darin vertieft war, Tote Geister zu suchen und zu binden. Bei dem Lärm, den Sam machte, als er gegen die reißende Strömung schritt, würde es wohl mit einer Überraschung nichts werden. Sosehr er sich auch bemühte, leise zu sein, platschte er doch hörbar herum. Es war auch harte Arbeit, sowohl geistig wie körperlich, da der Fluss an ihm zerrte und ihm Bilder von Mutlosigkeit und Entkräftung vorgaukelte und ihn überzeugen wollte, dass es besser wäre, wenn er sich einfach ausstreckte und sich vom Wasser tragen ließe, da er ohnehin nie gewinnen konnte…
    Sameth machte ein finsteres Gesicht und zwang sich, weiterzuwaten und den morbiden Druck auf seinen Geist zu ignorieren. Vom Nekromanten war immer noch nichts zu sehen, so dass Sam sich allmählich fragte, ob sein Gegner sich überhaupt im Tod befand. Vielleicht war er gerade in diesem Augenblick im Leben und führte die Toten zum Angriff. Nick und der Sergeant würden ihr Bestes tun, seinen Körper zu beschützen, davon war Sam überzeugt, doch sie würden hilflos gegen die Freie Magie des Nekromanten sein.
    Einen Augenblick dachte Sam an Umkehr, als ein leises Geräusch seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf den Tod lenkte. Er hörte einen feinen, reinen Ton, der zunächst sehr weit entfernt zu sein schien, sich ihm aber rasch näherte. Dann sah er die Kräusel, die den Ton begleiteten und die sich im rechten Winkel zur, Strömung bewegten – geradewegs auf ihn zu! Sam presste die Hände auf die Ohren. Er kannte diesen langen, klaren Ruf. Er stammte von Kibeth, der dritten der sieben Glocken. Kibeth, die Schreiterin.
    Sosehr Sam sich auch davor zu schützen versuchte, der eintönige Klang drang in seine Ohren und füllte seinen Geist mit seiner Kraft und Reinheit. Dann veränderte sich die Note und wurde zu einer ganzen Folge von Tönen, die einen Rhythmus bewirkten, der durch Sams Gliedmaßen schoss, einen Muskel hier zwickte und einen dort, und der ihn zu unkontrollierten Bewegungen veranlasste, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.
    Verzweifelt versuchte Sam die Lippen zu spitzen und einen Gegenzauber zu pfeifen oder wenigstens irgendein Geräusch zu machen, das den Ruf der Glocke unterbrach. Doch seine Wangen ließen

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