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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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blassblauen und hellgelben Bodenfliesen rutschten. Beide schüttelten das Eis ab. Lirael ahmte das ausdrucksvolle Zittern der Hündin von den Schultern bis zum Schwanz nach.
    »Ja«, pflichtete sie ihr dann bei und kämpfte das Verlangen nieder, sich um den Hals herum zu kratzen. Die Charterhaut franste bereits aus, doch Lirael würde sie noch brauchen, um durch das Wurmloch und den Tunnel zurückkehren zu können.
    Sie versuchte, ihre Vorderpfoten ruhig zu halten, während sie sich so gut es ging auf den Raum konzentrierte. Ihre Wahrnehmung war durch die Augen des Otters mit seinem für sie ungewohnten Blick, durch die niedrige Sichthöhe sowie durch die Farblosigkeit behindert.
    Der Raum wurde von einfachen Charterzeichen für Licht erhellt, die sich an der Decke befanden. Lirael sah sofort, dass sie verschwommen und viel älter waren, als solche Zeichen normalerweise Bestand hatten. Ein Schreibtisch aus tiefrotem Holz, doch ohne Stuhl, nahm eine Ecke ein. Leere Bücherschränke mit geschlossenen Glastüren reihten sich an einer Wand. Charterzeichen zur Abwehr von Staub huschten unentwegt darüber wie der Glanz von Öl auf Wasser.
    An der hinteren Wand befand sich eine Tür aus dem gleichen rötlichen Holz. Sie war mit winzigen goldenen Sternen, goldenen Türmen und silbernen Schlüsseln bestückt. Die Sterne waren von der siebenzackigen Art der Clayr, und die goldenen Türme waren das Wappen des Königreichs. Was die Silberschlüssel zu bedeuten hatten, wusste Lirael nicht, obwohl sie kein ungewöhnliches Siegel waren: Viele Städte wiesen Silberschlüssel in ihrem Wappen auf.
    Lirael spürte beachtliche Magie in der Tür. Charterzeichen des Verschließens und der Abwehr strömten durch die Maserung. Doch es gab noch andere Zeichen, die irgendetwas beschrieben, das Lirael nicht richtig deuten konnte.
    Sie bewegte sich darauf zu, um es sich näher anzusehen, doch die Hündin stellte sich ihr in den Weg, als müsse sie einen übermütigen Welpen zurückhalten.
    »Nicht!«, stieß sie hervor. »Sie hat einen Wachsendling, der in dir nur einen Schneeotter sehen und dich erschlagen würde!
    Du musst dich ihr in deiner normalen Gestalt nähern, damit der Sendling erkennen kann, dass dein Blut rein ist.«
    »Oh«, hauchte Lirael. Sie legte ihren schlanken Kopf auf die Vorderpfoten und richtete die funkelnden dunklen Augen auf die Tür. »Aber wenn ich mich umverwandle, brauche ich mindestens die halbe Nacht, um eine neue Charterhaut zu fertigen, und wir versäumen das Dinner und die Mitternachtsrunden.«
    »Manche Dinge sind es wert, dass man das Dinner versäumt«, sagte die Hündin bedeutungsvoll.
    »Und die Mitternachtsrunden?«, fragte Lirael. »Das wäre das zweite Mal in dieser Woche. Auch wenn ich heute Geburtstag habe, wird man mich zu zusätzlichem Küchendienst einteilen.«
    »Ich mag es, wenn du zusätzlichen Küchendienst hast«, sagte die Hündin und leckte sich die Lefzen – und weil sie schon dabei war, auch gleich Liraels Gesicht.
    »Iiih!«, entfuhr es Lirael. Sie zögerte noch immer und dachte nicht so sehr an den zusätzlichen Küchendienst, sondern an Tante Kirriths unvermeidliche Standpauke.
    Doch die Tür mit den Sternen und Türmen und Schlüsseln war zu verlockend…
    Lirael schloss die Augen und rief sich die Reihenfolge der Charterzeichen ins Gedächtnis, mit der sie die Otterhaut auftrennen konnte. Ihr Geist tauchte in den unablässigen Fluss der Charter, griff nach einem Zeichen hier, einem Symbol dort und wob sie zu einem Zauber. Schon in wenigen Minuten würde sie wieder die unscheinbare Lirael sein mit ihrem langen, widerspenstigen schwarzen Haar, so ganz anders als ihre blonden und braunhaarigen Cousinen. Ihr spitzes Kinn war schärfer als deren runde Gesichter, und ihre bleiche Haut würde nie bräunen, nicht einmal in der blendenden Sonne, die vom Gletschereis widergespiegelt wurde. Ihre Augen waren braun, während alle Clayr blaue oder grüne Augen hatten…
    Die Fragwürdige Hündin beobachtete, wie Liraels Otterhaut glühte und Charterzeichen auf ihr krochen, sich verwoben und schließlich zu einem Tornado aus Licht wurden, der immer heller und schneller wirbelte, bis die Haut verschwunden war und eine zierliche junge Frau dastand, mit sorgenvoll gefurchter Stirn und geschlossenen Augen. Ehe sie die Lider aufschlug, betastete sie sich, um sich zu vergewissern, dass sie ihr rotes Wams trug und dass ihr Dolch, die Trillerpfeife und die halb mechanische Maus da waren. Bei einigen von

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