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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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öffnen, und nur ein ehrenhafter und unbestechlicher Chartermagier konnte es schließen. Es enthielt alles Wissen über Nekromantie und Antinekromantie, ein Wissen, das dreiundfünfzig Abhorsen im Lauf von mehr als tausend Jahren zusammengetragen hatten – und noch mehr, denn sein Inhalt blieb nie gleich, sondern schien sich je nach der Laune des Buches zu verändern. Sam hatte an der Seite seiner Mutter ein wenig darin gelesen.
    »Was hast du denn?«, erkundigte Ellimere sich neugierig, als Sam immer bleicher wurde und seine Zähne zu klappern begannen. Sie legte das Päckchen aufs Bett und berührte Sams Stirn.
    »Du bist kalt«, stellte sie erstaunt fest. »Eiskalt!«
    »Ich bin krank«, murmelte Sam. Er konnte kaum sprechen. Furcht schnürte ihm die Kehle zu. Die Furcht, durch das Buch plötzlich in den Tod geschleudert zu werden, unter die Oberfläche des eisigen Flusses zu tauchen, durch das Erste Tor geschmettert zu werden…
    »Schnell, zurück ins Bett«, befahl Ellimere plötzlich besorgt. »Ich hole Doktor Shemblis.«
    »Nein!«, wehrte Sam ab und dachte an die neugierigen Fragen des Hofarztes. »Das gibt sich wieder. Lass mich ein Weilchen liegen.«
    »Also gut«, gab Ellimere nach, schloss das Fenster und half die Decken zu ordnen. »Aber glaub ja nicht, dass dir dadurch erspart bleibt, den Vogel der Auferstehung spielen zu müssen. Es sei denn, Doktor Shemblis erklärt dich als zu krank für diese Aufgabe.«
    »Ich bin nicht krank, bloß erschöpft«, versicherte ihr Sam. »In ein paar Stunden geht es mir besser.«
    »Was war überhaupt mit dir?«, erkundigte Ellimere sich erst jetzt. »Vater wollte nicht recht mit der Sprache heraus. Wir hatten ohnehin keine Zeit, lange zu reden. Er sagte nur was, dass du im Tod warst und in Schwierigkeiten geraten bist.«
    »So ähnlich«, flüsterte Sam.
    »Na, lieber du als ich.«
    Ellimere hob das Päckchen auf, wog es neugierig in der Hand und warf es wieder neben Sam. »Ich bin froh, dass ich nicht dafür geboren bin. Stell dir vor, du würdest der Herrscher und ich die Abhorsen. Trotzdem bin ich froh, dass du dich bereits im Tod umgesehen hast, denn Mutter braucht jetzt jede Hilfe, die sie bekommen kann. Und du wirst von größerem Nutzen für sie sein, wenn du deine Zeit nicht damit vertrödelst, Spielzeug zu basteln. Eine Frage hätte ich allerdings. Könntest du mir zwei Tennisschläger anfertigen? Hier versteht keiner, was ich will, und ich habe nicht mehr Tennis gespielt, seit ich aus Wyverley fort bin. Du könntest mir doch welche machen, oder?«
    »Ja«, antwortete Sam, dachte aber keine Sekunde an Tennis, sondern an das Buch, das neben ihm lag, und dass ihm vorherbestimmt war, einst die Pflichten des Abhorsen zu übernehmen. Es blieb ihm also gar nichts anderes übrig, als das
Buch der Toten
zu studieren. Er würde wieder im Tod schreiten und sich dem Nekromanten stellen müssen – oder Schlimmerem, falls so etwas überhaupt möglich war.
    »Bist du sicher, dass ich Doktor Shemblis nicht holen soll?«, vergewisserte sich Ellimere. »Du bist sehr blass. Ich werde dir Kamillentee bringen lassen. Es dürfte wohl reichen, wenn du erst morgen mit deinem Zeitplan anfängst. Bis morgen wirst du dich doch besser fühlen, oder?«
    »Ich glaub schon.« Sam war wie erstarrt durch die Nähe des Buches.
    Ellimere bedachte ihn noch einmal mit einem Blick, in dem sich Besorgnis, Zorn und Gereiztheit zugleich spiegelten. Dann drehte sie sich um, rauschte aus dem Zimmer und schmetterte die Tür hinter sich zu.
    Sam blieb liegen und versuchte tief und gleichmäßig zu atmen. Er konnte das Buch neben sich fast wie etwas Lebendes spüren. Wie eine zusammengeringelte Schlange, die zustoßen würde, sobald er sich bewegte.
    Lange Zeit lag er nur da und lauschte den Geräuschen, die selbst bei geschlossenen Fenstern zu seinem Turmzimmer getragen wurden: den regelmäßigen Meldungen der Wache auf dem Wehrgang; den Gesprächen von Personen auf dem Innenhof, die dort Geschäfte aushandelten; dem Schwerterrasseln vom Übungsplatz, der an der inneren Mauer lag. Als Hintergrundgeräusch war die unablässige Brandung der See zu hören. Belisaere war fast eine Insel, und das Schloss war auf dem nordöstlichen ihrer vier Hügel erbaut. Sams Schlafzimmer befand sich auf halber Höhe im Meeresklippenturm. Während starker Winterstürme war es schon öfter vorgekommen, dass trotz der Entfernung von der Küste Gischt bis zu seinen Fenstern spritzte.
    Ein Diener brachte Kamillentee, und

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