Das alte Königreich 03 - Abhorsen
gekommen, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte die Hündin. »Aber nicht hier. Hedge wird uns ebenso bemerkt haben wie wir ihn. Er ist jetzt mit den Hemisphären beschäftigt, doch es wird nicht lange dauern und er greift an.«
Lirael wandte sich um und stieg den Hang hinunter. Plötzlich hielt sie an und blickte zurück.
»Und Nicholas? Was ist mit ihm?«
»Wir können ihm jetzt nicht mehr helfen«, sagte die Hündin traurig. »Wenn die Hemisphären eins sind, wird der Splitter aus seinem Körper fahren, um wieder Teil des Ganzen zu werden. Er wird es nicht spüren. Es wird ein schnelles Ende für ihn sein, aber ich fürchte, dass Hedge sich Sams Geist untertan macht.«
»Armer Nick«, sagte Lirael. »Er hätte mir nicht entkommen dürfen.«
»Du hattest keine Wahl«, meinte die Hündin und stupste Lirael hinter dem Knie, um sie zu drängen. »Wir müssen uns beeilen!«
Lirael nickte. Während sie den Hang hinunterstürmte, an den steileren Stellen rutschte und beinahe stürzte, dachte sie an Nicholas und alle anderen, auch an sich selbst. Vielleicht war Nicks Weg der leichteste. Nick war wahrscheinlich der Erste, der starb, und wusste es nicht einmal. Alle anderen konnten sehen, was ihnen bevorstand. Sie würden mit größter Wahrscheinlichkeit als Hedges Sklaven enden.
Lirael war schon halb unten, als eine unglaublich laute, donnernde Stimme durchs Tal klang. Einen Moment war sie erschrocken, bis sie erkannte, dass es Sam war, der seine Worte mit Chartermagie verstärkt hatte. Er stand auf einem großen Felsen, nur hundert Meter weiter unten, und hatte die Hände an den Mund gelegt. Seine Finger leuchteten magisch.
»Südlinge! Freunde! Geht nicht über diesen Hügel! Dort erwartet euch der Tod! Glaubt nicht an das, was auf den Zetteln steht… es sind Lügen! Ich bin Prinz Sameth aus dem Alten Königreich, und ich verspreche allen, die im Tal bleiben, dass sie Weide- und Ackerland erhalten! Wenn ihr im Tal bleibt, bekommt ihr Land jenseits der Mauer!«
Sam wiederholte seine Rede, als Lirael keuchend neben dem Felsen anhielt. Unten standen Major Greenes Männer in einer langen Reihe am Fuße des Hügels. Die Südlinge standen dicht an dicht dahinter. Die Menge zog sich im Süden mehrere Hundert Meter über die Linie der Soldaten hinaus. Die meisten hatten angehalten, um Sam zuzuhören, andere stiegen noch immer den Hang hinauf.
Sam beendete seine Rede und stieg vom Felsen.
»Mehr kann ich nicht tun«, sagte er besorgt. »Vielleicht bleiben ein paar von ihnen hier.«
»Wir können gar nichts tun«, erklärte Major Greene. »Wir können nicht auf sie schießen, und sie würden uns überrennen, wollten wir versuchen, sie mit den Bajonetten aufzuhalten. Ich würde gern ein Wörtchen mit der Polizei reden, die für die Lager…«
»Eine der Hemisphären ist bereits an Land, die andere wird gerade entladen«, unterbrach ihn Lirael. Die Nachricht ließ alle aufhorchen. »Hedge ist da, und er beschwört einen Nebel und viele weitere Tote. Die Blitzfarm ist bereits in Betrieb. Der Zerstörer selbst lenkt die Blitze.«
»Dann greifen wir sofort an«, meinte Major Greene und holte Luft, um einen Befehl zu brüllen, doch Lirael unterbrach ihn erneut.
»Nein. Es ist unmöglich, die Blitzfarm zu durchqueren, und es sind zu viele Tote. Wir können die Vereinigung der Hemisphären jetzt nicht mehr verhindern.«
»Aber das… das bedeutet, dass alles verloren ist«, entfuhr es Sam. »Alles. Der Zerstörer…«
»Nein«, sagte Lirael entschieden. »Ich werde ins Totenreich gehen und den Dunkelspiegel benutzen. Der Zerstörer wurde am Anfang bezwungen und zerschlagen. Sobald ich herausgefunden habe, wie das geschehen ist, können wir es noch einmal versuchen. Aber du musst meinen Körper schützen, bis ich zurückkommen kann, denn bestimmt wird Hedge angreifen.«
Während sie sprach, blickte sie Sam fest in die Augen, dann Major Greene und den beiden Lieutenants, Tindall und Gotley. Sie hoffte, dass ein wenig von ihrer Zuversicht auf die Männer übersprang. Sie selbst glaubte, dass es im Totenreich eine Antwort gab, in der Vergangenheit. Ein Geheimnis, mit dem sie Orannis besiegen konnten.
»Die Hündin begleitet mich«, erklärte sie. »Wo ist Mogget?«
»Hier!«, sagte eine Stimme zu ihren Füßen. Lirael blickte hinunter und sah Mogget im Schatten des Felsens sitzen und die zweite von zwei leeren Sardinendosen sauber lecken.
»Ich dachte, ich gebe sie ihm jetzt«, meinte Sam mit einem Achselzucken.
»Mogget!
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