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Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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immer benommen.
    Als sie endlich stand, war das Wesen verschwunden. Nur die Hündin war da – ein gewaltiges Tier, dem das Fell am Rücken zu Berge stand. Rotes Feuer tropfte von ihren Zähnen, die so groß wie Liraels Finger waren. Raserei toste in ihren Augen, als sie ihre Herrin anstarrte.
    »Hündin?«, flüsterte Lirael. Sie hatte noch nie zuvor Angst vor ihrer Freundin gehabt, aber sie war auch noch nie so tief im Totenreich gewesen. Sie spürte, dass hier nichts unmöglich war. Alles und jeder konnte sich verändern.
    Die Hündin schüttelte sich und wurde wieder kleiner. Ihr Blick klärte sich. Ihr Schwanz begann zu wedeln, und sie knabberte einen Augenblick daran, bevor sie herankam und Liraels Handfläche leckte.
    »Tut mir Leid«, sagte sie. »Ich habe die Beherrschung verloren.«
    »Wo ist die Kreatur?«, fragte Lirael und sah sich um. Weder auf dem Pfad noch im Fluss unter ihnen war etwas zu sehen. Sie hatte auch kein Platschen gehört. Oder doch? Ihr Verstand war noch immer durcheinander von Saraneths Missklang.
    »Da unten«, erwiderte die Hündin und deutete mit dem Kopf. »Wir müssen uns beeilen. Und du solltest eine Glocke bereithalten. Ranna vielleicht. Sie ist ein wenig versöhnlicher hier.«
    Lirael kniete sich hin. »Ohne dich wäre ich verloren«, sagte sie und drückte der Hündin einen Kuss auf die Schnauze.
    »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte die Hündin beunruhigt. Ihre Ohren zuckten in einer halbkreisförmigen Bewegung. »Hörst du nichts?«
    »Nein«, antwortete Lirael, stand auf und lauschte, während ihre Hand wie von selbst Ranna aus dem Beutel holte. »Du?«
    »Jemand… etwas… folgt uns«, stellte die Hündin fest. »Ich bin sicher. Irgendetwas ist hinter uns her. Etwas sehr Mächtiges. Und es bewegt sich schnell.«
    »Hedge!«, entfuhr es Lirael. Sie vergaß ihr verschwundenes Selbstvertrauen, als sie sich umwandte und den Weg entlangeilte. »Oder könnte es wieder Mogget sein?«
    »Ich glaube nicht, dass es Mogget ist«, erwiderte die Hündin, hielt an und blickte einen Augenblick zurück, die Ohren aufgerichtet. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wer immer es ist… oder was immer… wir sollten versuchen es abzuhängen.«
    Lirael nickte und packte ihr Schwert und die Glocke fester, während sie dem Pfad folgte. Was immer sich ihnen entgegenstellte, von vorn oder von hinten, dieses Mal würde sie sich nicht überrumpeln lassen. Sie würde schneller sein, mit dem Schwert und mit der Glocke.

22
    Verteilerkästen und Südlinge
     
    Der Nebel hatte den Kai verschluckt und trieb unaufhaltsam den Hang hinauf. Nick beobachtete die dunklen Schwaden und die Blitze, die sie durchzuckten. Es weckte ein abstoßendes Bild von leuchtenden Adern in halb durchsichtigem Fleisch in ihm. Nicht dass es hier irgendetwas Lebendes mit solchem Fleisch gab…
    Er musste irgendetwas tun, konnte sich aber nicht erinnern, was es war. Er wusste, dass die Hemisphären ganz in der Nähe waren, irgendwo im Nebel. Etwas in ihm drängte ihn, dorthin zu gehen und die endgültige Zusammenführung zu überwachen. Aber da war auch ein anderer, rebellischer Teil in ihm, der genau das Gegenteil wollte: die Zusammenführung der Hemisphären um jeden Preis verhindern. Sie waren wie zwei flüsternde Stimmen in seinem Kopf, beide so heftig und gleichzeitig, dass sie unverständlich wurden.
    »Nick! Was haben sie mit dir gemacht?«
    Einen Moment glaubte Nick, es sei eine dritte Stimme in seinem Kopf. Doch als sie dieselben Worte wiederholte, erkannte er, dass es nicht so war.
    Schwerfällig stolperte er herum. Zuerst konnte er im Nebel nichts erkennen. Dann entdeckte er ein Gesicht, das hinter einer der Hütten hervorblickte. Er brauchte ein paar Sekunden, bis ihm klar wurde, wer es war. Sein Freund von der Universität von Corvere, Timothy Wallach, den er mit der Errichtung der Blitzfarm beauftragt hatte. Für gewöhnlich war Tim eine charmante, ein wenig lässige und stets makellos gekleidete Erscheinung. Jetzt aber sah er ganz anders aus. Sein Gesicht war blass und schmutzig, sein Hemd hatte den Kragen verloren, und seine Schuhe und die Hose waren voller Schlamm. Er kauerte hinter der Hütte und zitterte, als hätte er Fieber – oder Todesangst.
    Nick winkte und machte ein paar schlurfende Schritte; dann musste er sich an die Wand lehnen, um nicht zu fallen.
    »Du musst ihn aufhalten, Nick!«, rief Tim. Er blickte dabei nicht auf Nick, sondern sah voller Furcht um sich. »Was immer er vorhat… was ihr beide

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