Das alte Königreich 03 - Abhorsen
und sah sich um. Da stand Lirael. Sie war noch immer mit Reif bedeckt. Eis fiel von ihr, als sie sich bewegte. Sie blickte auf Nick, und Sam sah einen flüchtigen Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Der Ausdruck verschwand, wurde vertrieben durch eine Härte, die Sam an seine Mutter erinnerte.
»Nick stirbt«, sagte Sam mit tränenverschleierten Augen. »Die Heilungszauber können nicht… das Fragment ist aus ihm herausgeflogen, und ich kann nichts tun!«
»Ich weiß jetzt, wie der Zerstörer gebannt und zerschlagen werden kann«, sagte Lirael drängend. Sie nahm den Blick von Nick und richtete ihn auf Sam. »Du musst mir eine Waffe machen, Sam. Jetzt gleich!«
»Aber… was ist mit Nick?«, protestierte Sam. Er ließ die Hand seines Freundes nicht los.
Lirael starrte auf die Feuersäule. Sie konnte jetzt die Hitze spüren, konnte die wachsende Macht des Zerstörers an der Farbe und der Höhe der Flammen abschätzen. Ihnen blieben nur noch wenige Minuten. Selbst eine doppelt so lange Zeit hätte nicht ausgereicht.
»Es gibt nichts, was für Nick getan werden kann«, sagte sie mit einem unterdrückten Schluchzen. »Wir haben keine Zeit, und du wirst… du wirst zuhören, was getan werden muss. Wir haben eine Chance, Sam! Ich glaubte es nicht, aber die Clayr… hatten die Sicht und wissen, wer dafür gebraucht wird, und sie sind alle hier. Doch wir müssen sofort handeln!«
Sam blickte auf seinen besten Freund. Nicks Augen standen offen, doch er sah an Sam vorbei auf Lirael.
»Tu, was sie sagt, Sam«, flüsterte Nick und versuchte ein Lächeln. »Reiß dich zusammen.«
Dann wurde sein Blick leer, und von einem Augenblick zum anderen hörte er zu atmen auf. Sam und Lirael spürten beide, wie sein Geist davonglitt, und sie wussten, dass Nicholas Sayre tot war.
Sam öffnete seine Hand und stand auf. Er fühlte sich alt und müde, verwirrt und voller Trauer; er konnte nicht akzeptieren, dass die Leiche zu seinen Füßen die seines Freundes war. Er, Sam, war ausgezogen, ihn zu retten, und hatte versagt. Und auch alles andere schien zum Scheitern verurteilt…
Lirael packte ihn, als er schwankend und blicklos vor ihr stand. Der Schock riss ihn in die Wirklichkeit zurück, und er blickte ihr zögernd ins Gesicht. Sie drehte ihn herum und deutete auf Sabriel, Touchstone, Ellimere und die beiden Clayr, die schnellen Schrittes den Fußweg heraufkamen.
»Du musst einen Tropfen Blut von mir, deinen Eltern, Ellimere, Sanar und Ryelle nehmen und zusammen mit deinem Blut in Nehima mit dem Metall der Panflöten verschmelzen. Kannst du das? Jetzt gleich?«
»Dazu brauchte ich eine Schmiede«, erwiderte Sam betäubt, nahm Lirael jedoch Nehima aus der Hand, den Blick wieder auf den toten Nick gerichtet.
»Versuch es mit Magie!«, rief Lirael und schüttelte ihn heftig. »Du bist ein Mauerbauer, Sam! Beeil dich!«
Das Schütteln brachte Sam vollends in die Gegenwart zurück. Er spürte plötzlich die Hitze der Feuersäule, und die Angst vor dem Zerstörer fuhr ihm in die Knochen. Er wandte sich von Nick ab und benutzte das Schwert für einen Schnitt in die Handfläche. Dann verrieb er das Blut über die Klinge.
Als Nächste brachte Lirael sich einen Schnitt bei und ließ das Blut die Klinge hinunterrinnen.
»Ich vergesse es nicht«, flüsterte sie und berührte das Schwert. Im nächsten Augenblick, als ihr bewusst wurde, wie wenig Zeit ihnen blieb, rief sie den Soldaten zu:
»Major Greene! Bringt Eure Leute zu den Südlingen hinunter! Warnt sie! Ihr müsst alle am jenseitigen Ufer des Flusses bleiben. Legt euch zu Boden. Blickt nicht in das Feuer, und wenn es plötzlich heller wird, schließt die Augen! Schnell! Schnell!«
Bevor jemand antworten konnte, hatte Lirael sich bereits an die Gruppe gewandt, die Sabriel soeben heranführte.
»Beeilt euch! Bitte, beeilt euch! Wir müssen in den nächsten zehn Minuten mindestens drei Schutzrauten fertig haben. Schnell!«
Sam eilte seinen Eltern, seiner Schwester und den beiden Clayr entgegen und hielt das Schwert für deren Blut bereit. Während er zu ihnen eilte, flocht er eine Beschwörung zum Schmelzen und Schmieden und fügte die Zeichen in seinen Gedanken zu einem komplexen Netz zusammen. Wenn alles Blut auf der Klinge war, würde er die Panflöten darauf legen und alles in dieses Charternetz hüllen. Falls der Zauber funktionierte, würden Blut und Metall zu einem neuen, einzigartigen Schwert verschmelzen.
Hinter ihm trottete die Hündin zu dem stillen, reglosen
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