Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
das Auge.
    »Nein!«, rief Nick. Blutiger Schaum kam aus seinem Mund, und seine Finger griffen in die leere Luft. Dann ging sein Schrei in einen anderen Laut über, der aus dem roten Herzen des Nebels jenseits des Hügels schallte. Es war ein unbeschreiblicher Schrei des Triumphs, der Gier und der Wut. Gleichzeitig schoss eine Feuersäule in den Himmel. Sie stieg höher und höher über den Kamm. Nebel wirbelte wie ein Mantel um sie und löste sich auf.
    »Frei!«, brüllte der Zerstörer. Das Wort donnerte über die Beobachter hinweg wie ein heißer Sturm, der Augen und Mund trocken werden ließ. Es hallte von den fernen Hügeln wider, grollte durch ferne Städte und erfüllte die Herzen aller, die es hörten, mit Furcht, noch lange, nachdem es verklungen war.
    »Zu spät«, sagte Mogget. Er legte Nick vorsichtig auf den Boden nieder und kauerte sich zusammen. Sein bleiches Haar breitete sich über seinen Hals und sein Gesicht aus, und seine Knochen schrumpften unter seiner Haut. In weniger als einer Minute war er wieder der kleine weiße Kater, an dessen Halsband Ranna klingelte.
    Sam bekam die Verwandlung kaum mit. Er eilte zu Nick, beugte sich über ihn, holte die stärksten Charterheilzeichen, die er kannte, und verband sie in seinem Verstand. Sein Freund lag im Sterben, daran bestand kein Zweifel. Sam konnte spüren, wie Nicks Geist ins Totenreich glitt, konnte die schreckliche Blässe auf seinem Gesicht sehen, das Blut in seinem Mund, die schweren Quetschwunden an Brust und Arm…
    Goldenes Feuer umspielte seine gestikulierenden Hände, als er in zorniger Hast Zeichen aus der Charter holte. Dann legte Sam seine Handflächen sanft auf Nicks Brust und schickte die heilende Magie in seinen geschundenen Körper.
    Doch der Zauber erwies sich als wirkungslos. Die Zeichen verloren sich, und blaue Funken sprühten unter Sams Handflächen. Er fluchte und versuchte es erneut, jedoch vergeblich.
    Es war noch immer ein zu starker Rest an Freier Magie in Nick, und der machte Sams Bemühungen zunichte.
    Er bewirkte lediglich, dass Nick aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Er lächelte, als er Sam sah, erinnerte sich wieder an die Schule, an den Ball, der ihn getroffen hatte. Doch Sam trug eine seltsame Rüstung, nicht den weißen Kricketdress. Und es war dichter Nebel hinter ihm statt heller Sonnenschein. Und statt frisch gemähten Rasens waren Felsen und verkümmerte Bäume zu sehen.
    Plötzlich erinnerte sich Nick, und sein Lächeln verschwand. Die Erinnerung brachte den Schmerz zurück, überall in seinem Körper, aber auch eine willkommene Leichtigkeit. Er fühlte sich wach und frei, wie ein Gefangener, der aus lebenslänglicher Einzelhaft freigekommen war.
    »Es tut mir Leid«, keuchte er, und das Blut in seinem Mund erstickte seine Worte fast. »Das wusste ich nicht, Sam. Ich wusste doch nicht…«
    »Schon gut«, sagte Sam. Er wischte ihm mit dem Rockärmel den blutigen Schaum vom Mund. »Es ist nicht deine Schuld. Ich hätte wissen müssen, dass etwas mit dir geschehen ist…«
    »Die eingesunkene Straße«, flüsterte Nick. Er schloss wieder die Augen und atmete stockend. »Nachdem du auf dem Berg in den Tod gegangen bist. Ich erinnere mich jetzt. Ich rannte die Anhöhe hinunter, um zu sehen, ob ich etwas tun konnte, und fiel auf die eingesunkene Straße. Hedge wartete dort. Er hat mich für dich gehalten, Sam…«
    Seine Stimme versagte. Sam beugte sich erneut über ihn und versuchte die Heilungszeichen mit aller Willenskraft in seinen Körper zu zwingen. Aber auch beim dritten Mal glitten sie zur Seite.
    Nicks Lippen bewegten sich, und er sagte etwas, jedoch zu leise, als dass Sam es hätte hören können. Er brachte sein Ohr ganz nahe an Nicks Mund und nahm seine Hand, als könnte er seinen Freund mit körperlicher Kraft vor dem Tod bewahren.
    »Lirael«, flüsterte Nick. »Sag Lirael, dass ich sie nicht vergessen habe. Ich habe versucht…«
    »Das kannst du ihr selbst sagen«, entgegnete Sam eindringlich. »Sie wird jeden Augenblick hier sein! Nick, du musst dagegen ankämpfen!«
    »Das hat sie auch gesagt«, erwiderte Nick hustend. Blut spritzte auf Sams Wange, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Er vernahm nicht das leise Bellen der Hündin, als sie zurück ins Leben kam, und auch nicht das Knacken des Eises oder Liraels überraschten Ausruf. Für Sam gab es nur die Stelle, an der er sich mit Nick befand. Der Rest der Welt hatte zu existieren aufgehört.
    Dann spürte er eine kalte Hand auf der Schulter

Weitere Kostenlose Bücher