Das alte Königreich 03 - Abhorsen
Charter, während ihr unbewusstes Ich stets Teil davon ist. Sie hat dich nicht berührt, als es ein Leichtes für sie gewesen wäre, dich zu holen. Ich weiß nicht, warum, oder was es bedeuten könnte. Ich glaubte, sie hätte längst kein Interesse mehr an den Dingen dieser Welt, und deshalb wähnte ich unseren Weg hier sicher. Aber wenn sich alte Kräfte regen, werden viele Dinge geweckt. Das hätte ich wissen müssen. Vergib mir.«
Lirael hatte die Hündin noch nie so hilflos gesehen, und das erschreckte sie mehr als alles andere, was geschehen war. Sie kraulte sie hinter den Ohren und am Kinn und versuchte ihr ebenso viel Trost zu geben, wie sie von ihr empfing. Doch ihre Hände zitterten, und sie war nahe daran, in Tränen auszubrechen. Sie kämpfte dagegen an, indem sie tief ein- und ausatmete.
»Aber… was geschieht mit Mogget?«, fragte Sam mit bebender Stimme. »Er war frei! Er wird versuchen, die Abhorsen zu töten… Mutter… oder Lirael!«
»Mogget ist ihr lange aus dem Weg gegangen«, murmelte die Hündin. Sie zögerte und sagte dann ruhig: »Ich glaube nicht, dass wir uns wegen Mogget noch irgendwelche Sorgen machen müssen.«
Lirael stieß den Atem aus. Mogget würde nicht zurückkommen?
»Was?«, fragte Sam. »Aber er ist… na ja, genau weiß ich es nicht, aber er ist sehr mächtig… ein Geist der Freien Magie…«
»Wer ist diese Erscheinung?«, fragte Lirael, während sie die Fragwürdige Hündin am Unterkiefer hielt und in ihre tiefen dunklen Augen blickte. Die Hündin versuchte sich abzuwenden, doch Lirael hielt sie fest. Die Hündin schloss hoffnungsvoll die Augen, doch Lirael blies auf ihre Nase, und die Lider öffneten sich weit.
»Es macht nicht viel Sinn, wenn ich es dir sage, weil du es nicht verstehen wirst«, erklärte die Hündin. Ihre Stimme klang kraftlos. »Sie existiert im Grunde nicht mehr, außer hin und wieder da und dort, auf die eine oder andere unbedeutende Art in unbedeutenden Dingen. Wären wir nicht hierher gekommen, hätte es sie nicht gegeben, und nun, da wir gehen, wird sie nicht länger sein.«
»Sag es mir!«
»Du weißt, wer sie ist, wenigstens zu einem gewissen Teil«, sagte die Hündin, stupste mit der Nase gegen Liraels Glockenbandelier und hinterließ auf dem Leder der siebten Glocke einen feuchten Fleck, wobei eine Träne langsam über ihre Schnauze lief und auf Liraels Hand tropfte.
»Astarael?«, flüsterte Sam ungläubig. Die furchteinflößendste Glocke von allen, die er während seiner Hüterschaft der Glocken niemals auch nur berührt hatte. »Die Klagende?«
Lirael ließ die Hündin los, und sie drückte sofort ihre Schnauze tiefer in Liraels Schoß und stieß einen langen Seufzer aus.
Lirael kraulte die Ohren der Hündin wieder, doch auch das Gefühl des warmen Hundefells unter ihren Fingern konnte die Frage nicht verdrängen, die sie schon einmal gestellt hatte.
»Was bist du dann? Warum hat Astarael dich gehen lassen?«
Die Hündin sah zu ihr hoch und sagte schlicht: »Ich bin die Fragwürdige Hündin. Eine treue Dienerin der Charter, und deine Freundin. Ich werde immer deine Freundin sein.«
Da weinte Lirael, wischte die Tränen aber fort, als sie die Hündin am Halsband zur Seite zog, um aufstehen zu können. Sam hob Nehima auf und reichte ihr stumm das Schwert. Die Charterzeichen bewegten sich, als Lirael den Griff nahm, doch keine Schrift wurde sichtbar.
»Wenn du sicher bist, dass Mogget weder gebunden noch frei zurückkommt, sollten wir unseren Weg fortsetzen«, stellte Lirael fest.
»Das denke ich auch«, meinte Sam zweifelnd. »Obwohl es eine merkwürdige Vorstellung ist. Ich hatte mich an Mogget gewöhnt, und jetzt ist er… einfach fort? Ich meine, hat sie… hat sie ihn getötet?«
»Nein!«, erwiderte die Hündin, die von dieser Frage überrascht zu sein schien. »Nein.«
»Was hat sie dann mit ihm gemacht?«
»Das werden wir nie erfahren«, sagte die Fragwürdige Hündin. »Unsere Aufgabe liegt vor uns, und Mogget liegt nun hinter uns.«
»Und du bist ganz sicher, dass er keine Gefahr mehr für Mutter oder für Lirael sein wird?«, fragte Sam. Er wusste, wozu Mogget fähig war, und war seit früher Kindheit gewarnt worden, Mogget das Halsband abzunehmen.
»Ich bin sicher, dass deine Mutter jenseits der Mauer nichts von Mogget zu befürchten hat«, erwiderte die Hündin und beantwortete damit Sams Frage nur zur Hälfte.
Sam schien nicht ganz überzeugt zu sein, nickte schließlich aber zögernd.
»Wir haben bis jetzt
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