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Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Dann gelangten die Gefährten übergangslos in einen Tunnel, der nicht mit Werkzeugen geschaffen worden war. Der rote Fels wich einem bleichen, grünlich weißen Stein, der die Charterlichter reflektierte, so dass Lirael geblendet die Hand an die Augen hob. Der Tunnel schien durch Erosion entstanden zu sein.
    An der Decke, den Wänden und dem Boden waren die Spuren zahlloser Strudel und Wirbel zu erkennen, die aber irgendwie
verkehrt
wirkten, auch wenn Lirael den Grund dafür nicht hätte nennen können. Es war lediglich ein Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte.
    »Kein Wasser hat diesen Tunnel ausgehöhlt«, stellte Sam fest. Auch er flüsterte nun. »Es hätte in beiden Richtungen fließen müssen. Und Stein wie diesen habe ich noch nie gesehen.«
    »Wir müssen weiter«, drängte die Hündin, und irgendetwas in ihrem Tonfall – Besorgnis, vielleicht sogar Furcht – ließ Lirael schneller ausschreiten.
    Sie bewegten sich voran, so rasch sie es wagen konnten, ohne Gefahr zu laufen, über ein Hindernis zu stolpern oder in einen unerwarteten Abgrund zu stürzen. Der seltsame leuchtende Tunnel erstreckte sich mehrere Meilen und mündete dann in eine Höhle, deren Wände auf demselben reflektierenden Stein bestanden. Drei Tunnel führten hinaus. Lirael und Sam hielten an, während die Hündin sorgfältig an jedem Ausgang witterte.
    In einer Ecke der Höhle schienen Steine aufgeschichtet zu sein, doch als Lirael sie genauer in Augenschein nahm, erwiesen sie sich als ein Haufen verstaubter Gebeine und Metallstücke. Lirael stocherte mit der Schuhspitze in dem Haufen und legte mehrere glanzlose Stücke Silber und einen menschlichen Unterkiefer mit einem einzelnen Zahn frei.
    »Lass die Finger davon!«, warnte Sam hastig als sich Lirael hinunterbeugte, um die Metallstücke genauer zu untersuchen.
    Lirael hielt mit ausgestreckter Hand inne.
    »Warum?«
    »Kann ich nicht sagen«, erwiderte Sam und schauderte unwillkürlich. »Aber das ist Glockenmetall, glaube ich. Es ist besser, wenn man ihm nicht zu nahe kommt.«
    »Ja«, pflichtete Lirael bei und richtete sich auf. Auch sie konnte sich eines Schauders nicht erwehren. Menschliche Gebeine und Glockenmetall. Sie hatten die Überreste von Kalliel gefunden. Was für ein Ort war das nur? Und warum brauchte die Hündin so lange, den richtigen Weg zu finden?
    Als sie ihre vierbeinige Freundin fragte, hörte diese zu schnüffeln auf und deutete mit der rechten Pfote zum mittleren Tunnel.
    »Hier lang«, sagte sie, doch Lirael entging nicht, wie unsicher sie klang. Selbst ihre Pfote hatte gezittert.
    Dieser Tunnel war deutlich breiter und höher als der vorhergehende. Er vermittelte Lirael auch ein ganz anderes Gefühl, das nichts mit der größeren Bewegungsfreiheit zu tun hatte. Zuerst konnte sie es nicht zuordnen, doch nach und nach fiel ihr auf, dass die Luft kälter wurde. Und da war ein seltsames Gefühl um ihre Füße, als stünde sie in irgendetwas Fließendem. Eine Strömung, die sich einmal in diese, dann in die andere Richtung bewegte, obwohl es hier kein Wasser gab.
    Oder doch? Wenn sie direkt nach unten blickte, sah Lirael nur Stein. Doch aus den Augenwinkeln glaubte sie dunkles Wasser fließen zu sehen. Es kam von hinter ihnen, strömte an ihnen vorbei und wogte schäumend zurück wie eine Welle am Strand. Eine Welle, die sie umreißen und den Weg zurück schwemmen wollte, den sie gekommen waren.
    Auf eine zutiefst beunruhigende Weise erinnerte es sie an den Fluss des Todes. Aber sie hatte nicht das Gefühl, im Reich des Todes zu sein, denn abgesehen von der zunehmenden Kälte und der Wahrnehmung des Flusses am Rande des Sichtfelds sagten ihr ihre Sinne, dass sie fest im Reich der Lebenden standen, wenn auch in einem sehr ungewöhnlichen Tunnel tief unter der Erde.
    Dann roch sie wieder Rosmarin, und noch etwas Süßeres, und in diesem Moment begannen die Glocken am Bandelier um ihre Brust in ihren Beuteln zu vibrieren. Lederstreifen hinderten ihre Klöppel am Schlagen, doch sie spürte, wie sie bebten und rüttelten, als wollten sie sich befreien.
    »Die Glocken!«, stieß sie hervor. »Sie vibrieren! Ich weiß nicht, was…«
    »Die Flöten!«, rief Sam, und Lirael vernahm eine Kakophonie schriller Laute, als die Flöten einen Augenblick lang in den Tönen der sieben Glocken erklangen und dann plötzlich verstummten.
    »Nein!«, rief eine Stimme, die nicht sofort als die Moggets zu erkennen war. »Nein!«
    »Lauft!«, brüllte die Hündin.
    In dem losbrechenden

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