Das Ambulanzschiff
verkümmert. Ich habe Kratzer an den Stachelenden beider Wesen gefunden, die auf eine Verwendung als Manipulatoren schließen lassen. Sie sind hochintelligent und, wie wir bereits wissen, technisch sehr weit entwickelt, trotz ihrer physischen und sensorischen Handicaps.
Sie scheinen einzig und allein über einen Tastsinn zu verfügen. Aber nach dem Grad der Spezialisierung der Sensorpolster im oberen Teil des Körpers zu schließen, ist dieser Tastsinn außerordentlich sensitiv. Es könnte durchaus sein, daß einige dieser Sensoren die Vibrationen in einem flüssigen oder gasförmigen Medium oder auch den Geschmack von verschiedenen Gegenständen, mit denen sie in Berührung kommen, ‚fühlen’ können. Vielleicht ermöglichen es ihnen einige dieser ‚Tastpolster’ sogar, durch eine Berührung riechen zu können. Aber sie können nicht sehen, und wahrscheinlich würde ihnen das Erfassen des Konzeptes des Sehens Schwierigkeiten machen, daher können sie das System der Sehnerven nicht verstehen, wenn sie es berühren würden.“
Murchison deutete zu dem geöffneten Torso des FSOJ, bevor sie weitersprach. „Aber das ist nicht der prinzipielle Grund, warum sie kein symbiotisches Verhältnis haben können. Normalerweise muß ein intelligenter Symbiont oder Parasit eine Position nahe dem Gehirn oder in einem Gebiet, in dem er leicht an die Hauptnervenstränge herankommen kann, beziehen. In unserem Fall wäre das im Nacken oder direkt auf dem Kopf. Aber das Gehirn dieses Wesens hier ist nicht in seinem Kopf, es ist tief im Torso, zusammen mit den anderen vitalen Organen, es sitzt in einem wirklich dummen Körperabschnitt, nämlich direkt unter der Gebärmutter, und umgibt den Anfang des Geburtskanals. Als Resultat darauf wird das Gehirn zusammengedrückt, wenn der Embryo wächst; und handelt es sich um eine schwere Geburt, dann kann es gänzlich zerstört werden. Das Junge kommt kämpfend und mit einem beachtlichen Nahrungsvorrat zur Welt, bis es groß genug ist, um selbst auf die Jagd zu gehen.
Der FSOJ, der bisexuell ist, behält sein Junges so lange in der Gebärmutter, bis dieses voll ausgewachsen ist und überleben kann. Das Überleben scheint dort, wo das Wesen lebt, nicht einfach zu sein, und die Blinden hätten wohl einen wesentlich angenehmeren Partner für ihre Symbiose finden können, wenn es ihnen darum gegangen wäre.“
Conway rieb sich seinen schmerzenden Schädel. Schwierige Fälle hatten normalerweise keine solche Wirkung auf ihn, dachte er. Gelegentlich hatte er schon schlaflose Nächte wegen eines Patienten gehabt – oder Angst – oder sich ernstlich Sorgen gemacht, wenn es darum ging, einen entscheidenden Entschluß zu fassen, doch bislang hatte ihm noch niemals etwas Kopfschmerzen bereitet. Wurde er langsam alt? Aber nein, das war eine zu einfache Erklärung, denn an Bord des Schiffes der Blinden hatten sie alle Kopfschmerzen gehabt.
„Auf die eine oder andere Art müssen wir zu den Überlebenden vordringen“, sagte er entschlossen. „Und zwar schnell. Aber es wäre kriminell und dumm, das Leben eines intelligenten Wesens in Gefahr zu bringen, indem wir unsere Zeit mit einem Versuchstier vergeuden, selbst wenn es von so großem Wert für die Blinden ist wie der FSOJ.
Nun, wenn wir darin übereinstimmen, daß der FSOJ ein nichtintelligentes … …“
„… dekomprimieren wir das Schiff, bis Prilicla uns den Tod des FSOJ meldet, und dann schneiden wir uns so schnell wie möglich einen Weg zu dem überlebenden Blinden“, beendete der Kapitän den Satz für ihn. „Verdammt, meine Kopfschmerzen sind wieder da“, fügte er dann mit verzerrtem Gesicht hinzu.
„Ein Vorschlag, Freund Conway“, sagte Prilicla plötzlich. „Der Blinde ist klein und könnte vielleicht den Korridorkäfig und die Mechanismen unbehelligt und ohne Schwierigkeiten überwinden. Die emotionale Strahlung der beiden Wesen ist inzwischen bis zu einem Punkt angestiegen, bei dem ich sie beide als fast völlig wiederhergestellt bezeichnen möchte. Eines strahlt Ärger einer intensiven, unkontrollierten Art aus, während das andere eine zunehmende Frustration verspürt und sich sehr anstrengt, etwas Bestimmtes zu versuchen. Zudem habe auch ich ein gewisses Unbehagen in der Schädelgegend, Freund Conway.“
Schon wieder diese ansteckenden Kopfschmerzen! dachte Conway. Das kann einfach kein Zufall sein …
Plötzlich kam wie ein Blitz die Erinnerung an seine frühesten Jahre im Hospital. Damals war er noch unglaublich
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