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Das Amerikanische Hospital

Titel: Das Amerikanische Hospital Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Wohnzimmers, sah auf die Straße hinunter und rauchte. Die
andere Katze war auch wach geworden, und beide Tiere legten sich auf die Fensterbank, um ihr nahe zu sein. Gegenüber strahlte hell das grüne Neonkreuz der Apotheke von Madame Allouche. Aus der Bäckerei unten im Haus roch es nach backenden Croissants.
    What a bloody mess, dachte sie noch einmal. Der Amerikaner hatte zunächst nicht viel erzählen können, als sie ihn an jenem Nachmittag gefragt hatte, auch nicht einige Tage später, als sie nach der Ruhephase, die sich an den Transfer anschloss, noch einmal mit ihm in der mittlerweile vertrauten Cafeteria gesessen hatte. Er erklärte seine Schwierigkeiten mit dem Dilemma, einerseits eine kohärente Geschichte erzählen zu wollen, sei es, weil man beim Erzählen oder Berichten einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben und bieten will, sei es, weil Erinnerungen erst dann mitteilbar sind, wenn man sie von oben und außen, von fern und als Ganzes wahrnimmt. Andererseits, sagte er, habe er eben nur Einzelheiten, Fetzen, Eindrücke zu bieten, Erinnerungssplitter, dazu noch aus der Maulwurfsperspektive gesehen, die sich zu nichts Logischem zusammenfügten. Kamen noch die theoretischen, die selbst nur gehörten oder gelesenen Informationen hinzu, die diesen Krieg zu einem Aktenstück machten, aber eben wenig oder nichts mehr mit dem Erlebnis des einzelnen Soldaten zu tun hatten. Das Problem, erklärte er, sei, dass der wahre Krieg eben nicht das eine oder das andere sei, sondern beides, sodass eine Erzählung vom Krieg unmöglich von einem Einzelnen zu leisten sei.
    Aber ich will doch gar keinen Heeresbericht hören, entgegnete sie. Ich will nur hören, was Ihnen auf der
Seele brennt, vorausgesetzt, Sie können darüber sprechen.
    Er sah sie erstaunt an: Brennt mir denn etwas auf der Seele? Oder bin ich einfach nur ausgebrannt, weil ich zu schwach oder zu müde bin, battle-fatigued eben?
    Sie lächelte ihm zu und sagte: Das weiß ich nicht.
    Er griff unwillkürlich nach einer Zigarette und sagte: Das Seltsamste war, dass dieser Krieg am Rande des Paradieses stattfand, ohne dass jemals jemand ein Wort darüber verloren hätte. Östlich des Gartens Eden. Wir waren die ganze Zeit in der Wüste, und keine zwanzig Meilen von da liegt der Garten Eden …
    Hélène sah ihn verblüfft an.
    Wissen Sie, sagte der Amerikaner, woran ein Zivilist zu selten denkt, das ist, dass der Krieg nicht auf einem Sportplatz stattfindet, sondern mitten in der Welt, die dafür nicht gemacht ist. Da leben Menschen, Tiere, da gibt es eine Natur, und plötzlich rollen Panzer darüber hinweg, explodieren Häuser, wird die Erde umgepflügt und mit toten Menschen und Tieren gedüngt … Unser Ziel war das Euphrattal. Wir bildeten die linke, nördliche Flanke des Angriffs. Und zwischen Euphrat und Tigris, am Hammarsee, nördlich von Basra, dort liegt das Marschenland, wo alle Wissenschaftler und alle Träumer den Garten Eden vermuten. Ein bisschen nördlich davon den Highway 8 entlang liegt Ur, wo unser Urvater Abraham seine Wanderschaft begann, liegt Uruk, wo Gilgamesch herrschte und mit Enkidu kämpfte und Freundschaft schloss, wo Ischtar sich in ihn verliebte, wo der Himmelsstier wütete und von den Waffenbrüdern zur Strecke gebracht wurde. Mitten in den Marschen jedoch, da
lag das Paradies. Und an seiner Pforte haben wir Krieg geführt. Aber es kam kein Erzengel Michael, der uns oder die anderen verjagt hätte …
    Cote war in Schweigen versunken, und Hélène wartete wortlos, dass er weitersprach. Schließlich sagte er: Am dritten Tag morgens waren wir auf einer Anhöhe über dem Euphrattal, es war der erste sonnige Tag. Sonne und Hitze. Die Sonne war noch nicht lange aufgegangen, brannte aber schon wie zur Mittagszeit. Unter uns glitzerte ein riesiger schwarzer See im Licht, der auf keiner Karte verzeichnet war. Und dann sah ich sie, oben von meinem Bradley aus. Sieben Ibisse, die von Süden kamen. Majestätisch. Wahrscheinlich hatte der dichte Rauch, der dort am Horizont stand und von brennenden Ölquellen rührte, sie irritiert oder ihren Kurs wechseln lassen. Die heiligen Ibisse überwintern ja in den Marschen. Sie flogen hoch, in einem Keil, man konnte die langen, schwarzen, sichelförmigen Schnäbel gut erkennen. Mächtige, breite Flügel, die in der Sonne weiß leuchteten, und die Spitzen der großen Schwungfedern schwarz, wie in Tinte getaucht. Sie sahen den See auch von dort oben, drehten bei, kreisten und gingen dann nieder mit

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