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Das Amerikanische Hospital

Titel: Das Amerikanische Hospital Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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könnten wie ein eigenes, sagte sie schließlich und blickte auf die Uhr. Deshalb. Ich meine, deshalb wollen wir keine Adoption.

    Cote nickte, aber sagte nichts.
    In der darauffolgenden Woche musste Hélène auf den Amerikaner warten. Sie war bei Le Goff gewesen, der bei der Ultraschalluntersuchung Herztöne festgestellt hatte, das erste Mal seit ihrem ersten Versuch, dass sie wieder so weit kam. Muss ich irgendetwas tun, irgendetwas beachten?, hatte sie gegen ihren Willen gefragt. Le Goff zuckte die Achseln. Madame, wenn alles so geht, wie die Natur es eingerichtet hat, dann dürfen Sie alles tun, was Sie wollen, und das Kind wird sich festkrallen, weil es leben will. Und wenn es das nicht soll, dann können Sie sich behandeln wie ein rohes Ei, und es wird nichts nutzen. Ich drücke Ihnen alle Daumen. Wenn Sie einen Schutzengel haben, dann bitten Sie ihn um Beistand.
    Cote hatte eine Therapiesitzung bei Dr. Woods, die sich hinzog.
    Als sie schließlich mit dem Taxi vor dem Haupteingang der Buttes-Chaumont an der Place Armand-Carrel hielten, wo Cote des schönen Wetters wegen noch einmal hatte spazieren gehen wollen, war er in Gedanken noch in der Sitzung mit Woods.
    Der hatte von Anfang an versucht, die traumatischen Kriegstage in vivo zu beschwören, das heißt unter Zuhilfenahme allen verfügbaren Bild- und Filmmaterials, das er finden konnte, anstatt es ausschließlich dem Amerikaner zu überlassen, aus der Erinnerung zu schildern. Sie rekonstruierten quasi jede Minute jedes Tages minutiös. Sie saßen nebeneinander vor dem Fernseher wie ein altes Ehepaar, auch wenn er gerade nicht lief, vor sich einen viereckigen Beistelltisch, auf dem aber keine
Erdnüsse standen, sondern Stapel von Fotos lagen, und Cote redete, den Blick wie auf einen Teleprompter auf den blinden Bildschirm gerichtet.
    So gehen wir in jeder Sitzung die Tage durch, als würden wir uns gemeinsam einen Film ansehen und wie in einem Cineastenclub darüber diskutieren. Nur ist es der Film meines Lebens. Woods zeigt Fotos und Filmaufnahmen und CNN-Berichte, sofern er welche hat. Ich erkläre sie ihm. Das ist in Kuwait, sage ich. Da waren wir gar nicht. Wenn er meint, ich müsse noch tiefer hinein in eine Erinnerung, spult er zurück, spult sozusagen mich zurück. Und versucht dann das, was mich fertigmacht, von einer anderen Warte aus zu beleuchten.
    Von welcher?, fragte Hélène.
    Von einer außerhalb meiner Eingeweide. Heute waren wir beim 2. März. An den 1. erinnere ich mich nicht. Der Waffenstillstand ist uns ja schon am 28. bekanntgegeben worden, als wir bei Jalibah waren, und danach sind wir einfach weiter vorgerückt. Frago vom Stab. Highway 8 runter Richtung Basra bis zu der Kreuzung, wo die Straße zum Damm abbiegt. Diese Verbindungsstraße und der Damm, hieß es, sind jetzt bis auf Weiteres unsere Stellung. Kontrolle des Abzugs der Iraker, die mehrere Korridore bekommen hatten, um nach Hause zu fahren. Der 2. März. Am 1. kann dementsprechend nicht viel los gewesen sein.
    Fangen wir am Morgen an, hatte Woods gesagt. Wie begann der Tag?
    Es war von Anfang an ein komischer Tag gewesen. Was machen wir hier? Wo genau sind wir? Es gab nämlich,
sagte Cote zu Hélène, weil wir so weit östlich von unserem vorgesehenen Operationsgebiet standen, keine Generalstabskarten mehr. Mit dem Sonnenaufgang direkt über den Marschen war von einem Moment zum andern die Hitze da. Vorher in der Nacht Eiseskälte. Meine Kompanie war auf einer Anhöhe, etwa eine Meile diesseits der Verbindungsstraße. Ich konnte im Dunst die Marschen erahnen, den Hammarsee, durchs Fernglas, nördlich des Damms. Im Süden, etwa zwanzig Meilen entfernt, die Rauchschwaden von den brennenden Ölquellen bei Rumailah. Der Funkverkehr war chaotisch. Sollen wir den Damm blockieren, oder sollen wir sie durchfahren lassen? Negativ, hören Sie mich? Was negativ? Blockieren oder durchfahren? Wir standen da und wussten nicht, was tun. Es wird Tag und unter uns ein steter Strom von Fahrzeugen, eine fast geschlossene Kolonne. Einer meiner Platoon-Leader steht neben mir und deutet sich an den Kopf. Da fahren sie gemütlich nach Hause. Panzer, Lafetten, Munition, alles hübsch sauber aufgeladen. Haben wir uns dafür den Arsch aufgerissen? Und immer wieder der hektische Austausch über Funk. Lassen wir sie über den Damm? Was sollen wir tun? Wozu sind wir hier, wenn wir sie jetzt durchlassen? Irgendwann, nein, nicht irgendwann, um kurz nach acht Uhr morgens ist Stau. Es geht nicht mehr weiter.

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