Das Amerikanische Hospital
Die Fahrzeuge in zwei Reihen auf der Straße. Das Morgenlicht glitzert in Fensterscheiben und Rückspiegeln. Ein Anblick wie die morgendliche Mass. Turnpike während der Rushhour. Aber in den Sechzigern. Wegen der alten Autos und Lastwagen, meine ich. Erstaunlich viele Chevys. Tieflader, darauf die T-72, brav mit nach hinten gedrehtem Rohr.
Irakische Soldaten mit freiem Oberkörper, die sich auf dem Turm sonnen. Mannschaftswagen, Autobusse, Laster mit Planen, Taxis aus Kuwait, alte Mercedesse mit dem gelben Schild auf dem Dach. Und dazwischen und auf der linken Spur Personenwagen, Chevys, Mercedesse, Peugeots. Dann geht das Hupen los. Warum geht’s nicht weiter? Wir erfahren, dass es einen Befehl gegeben hat, die Überfahrt über den Damm zu verweigern. Warum? Keine Ahnung. Eine halbe Stunde lang steht alles still. Die Luft summt vor Hitze, der Lack der Autos flimmert, die Konturen der Fahrzeuge werden unscharf, die Dieselmotoren sind zu hören, wie sie im Leerlauf brummen. Wir stehen oben auf der Anhöhe und warten auf Befehle. Irgendwann wurde es den ersten Irakern zu blöd, und sie versuchten umzukehren. Ein paar Tieflader kommen vom Deich her zurück und können nicht durch, weil beide Spuren dicht sind. Lastwagen versuchen zu wenden und graben ihre Räder heulend in den weichen Untergrund seitlich des Asphalts. Die Leute steigen aus den Fahrzeugen, gestikulieren, schreien einander an, deuten hierhin, deuten dorthin. Das totale Chaos. Ich meine, wo sollten sie hin? Wieder zurück zum Highway? Aber bei Jalibah stand die ganze 11. Armee und blockierte den Weg nach Norden!
Und dann war es passiert, so überraschend, unerwartet und schockierend, wie Katastrophen immer ausbrechen. Gegen neun. Das Unwetter, das aus elektrisch geladener Stille heraus zuschlägt.
Eine gigantische Explosion im Norden, eine weißglühende Stichflamme in den Himmel, eine wütend eruptiv anschwellende Qualmwolke, die sich durch den Himmel
fraß wie im Zeitraffer, als hätte Gott die Plagen losgelassen. Das Herz blieb mir fast stehen. Und es explodierte wieder und weiter, eine Explosion schien aus der anderen zu erblühen wie ein Feuerwerk.
Ein Munitionstransporter oben am Damm. Und dann überschlugen sich die Meldungen und Befehle aus dem GPS: Wir sind angegriffen worden! Wie? Wo? Wann? Aus dem Konvoi. Sie versuchen einen Angriff. Sofortige Gegenwehr. Ich meine, die hockten da unten auf ihren Pritschen, stritten sich übers Durchkommen, sonnten sich mit freiem Oberkörper oder in ärmellosen Unterhemden auf den Tiefladern, und jetzt standen alle und starrten auf die Rauchsäule und die Feuerwerksraketen, die dort hochzugehen schienen, und die Ersten, die mit Instinkt, rannten wie besessen los in die Wüste hinein, in Richtung der Marschen. Was machen wir, Captain?
Was haben Sie befohlen?, hatte Woods gefragt.
Es war wie die zehn Plagen, sagte der Amerikaner kopfschüttelnd zu Hélène. Recke deine Hand gen Himmel, dass eine solche Finsternis werde, dass man sie greifen kann. Und dann kamen die Heuschrecken. Plötzlich standen sie über uns brüllend und reglos am Himmel, der sich immer mehr verfinsterte vom Qualm des brennenden und noch immer weiter explodierenden Munitionstransporters, und feuerten ihre Raketen auf den Konvoi. Ja, um Mitternacht will ich durch Ägyptenland gehen, und alle Erstgeburt soll sterben von Mensch und von Vieh. Und mein Gott, so geschah es, aber es waren nicht nur die Erstgeburten. Wir haben uns alle flach hingeworfen, wir hatten seit dem ersten Kriegstag mehr Angst vor friendly fire als vor den Irakern.
Und die steckten fest, sie konnten nicht vor noch zurück. Ein paar Autos und Laster versuchten seitlich in die Wüste zu entkommen. Sie haben sie alle erwischt … Es ist keiner davongekommen.
Hélène, Sie machen sich keine Vorstellung davon, was passiert, wenn so eine Hellfire-Rakete aus einem Apache-Hubschrauber einen T-72 trifft. Der Turm fetzt ab wie ein Sektkorken, fliegt fünfzig Meter steil in die Luft wie ein startendes Raumschiff, und hundert Meter weiter schlägt er wieder auf. Es war ein infernalischer Lärm. Es war ein Lärm, in dem keine menschliche Stimme mehr hörbar war.
Und was haben Sie gemacht?, fragte Hélène.
Die Befehle befolgt. Wir sind runtergerollt, bis auf eine halbe Meile an die Straße ran, und haben gefeuert. Einer unserer Bradleys blieb stecken und wäre ein leichtes Ziel gewesen, hätte denn jemand auf ihn gezielt. Aber die Iraker haben keinen einzigen Schuss
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