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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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könnte, aber Julian würde sie sicher auslösen.
    Julian war gemächlich geritten und erreichte Salisbury am frühen Nachmittag. Er bestellte in der Poststation ein Bier, und auf seine Nachfrage hin reichte ihm der Wirt eine lederne Rolle.
    »Ist gestern Nachmittag hier angekommen.«
    Julian nickte, klemmte die Rolle unter den Arm, nahm sein Bier und setzte sich in die hinterste Ecke des Schankraums. Er brach Simeons Siegel über dem Knoten, der die Rolle zusammenhielt. Es war eine lange Nachricht. Julian hob überrascht die Augenbrauen, denn obwohl Simeon schreiben konnte, war er doch langsam und hielt seine Nachrichten daher stets kurz.
    »Ich hoffe, diese Nachricht findet Dich wohlauf«, begann der Brief, und dann wich mit jeder weiteren Zeile, die er las, langsam das Blut aus Julians Gesicht. Er saß wie versteinert da, und nur seine Augen folgten den dichten Wörtern aus schwarzer Tinte. Schließlich sanken seine Hände mit dem Pergament langsam auf seinen Schoß. Er starrte blicklos vor sich hin.
    Die Geheime Kanzlei hatte neue Erkenntnisse über den Kurier. Es handelte sich um eine Frau, eine Französin mit Namen Emmanuelle Foulaise. Sie war in Cherbourg in See gestochen, und dann hatte sich ihre Spur verloren. Emmanuelle Foulaise war kein unbeschriebenes Blatt, sie war eine kaltblütige, skrupellose Agentin, die nicht nur in König Louis’ Dienst gestanden hatte, sondern auch für Prinz Richard arbeitete. Sie war eine Söldnerin und für den qualvollen Foltertod eines ihrer besten Männer auf dem Festland verantwortlich, weil sie ihn an König Louis verraten hatte. Außerdem wurde sie verdächtigt, mit dem Tod Sir Rolands, eines hochrangigen Beamten am Hofe von Königin Eleonore, zu tun zu haben. Sie war eine Mörderin. Simeon warnte Julian eindringlich, die Schiffbrüchige in seiner Begleitung nicht einen Moment aus den Augen zu lassen und besondere Vorsicht walten zu lassen. Sobald sich eine Gelegenheit ergab, sollte er sie festsetzen. Die Sache hatte allergrößte Priorität, da noch nicht klar war, wie weit die Verschwörung schon gediehen war.
    Julians Kehle hatte sich schmerzhaft zusammengezogen, und seine Augen brannten. Er schluckte trocken. Er sah Viviana vor sich, wie sie in Yeovil die Treppe herunterkam und sich stolz in ihrem neuen Kleid zeigte; wie sie nach dem Überfall vor ihm auf dem Pferd gesessen und er sie in seinen Armen gehalten hatte; ihr lachendes Gesicht, wenn sie sich beide über die gleiche Sache amüsierten. Julian schloss die Augen und spürte wieder ihre Lippen auf den seinen, als sie sich zum ersten Mal geküsst hatten. Sie war eine Lügnerin. Es war alles gelogen, sie hatte ihm etwas vorgespielt. Wie betäubt stand er auf, rollte das Pergament wieder zusammen und steckte es in seine Jacke.
    »Schlechte Nachrichten?«, fragte der Wirt vorsichtig mit einem Blick auf den Bierkrug, der unangetastet auf dem Tisch stand.
    »Ich brauche ein Pferd, ich muss sofort zurück nach Shaftesbury.«
    »Wollen Sie nicht lieber erst noch etwas essen?«
    Julian schüttelte den Kopf und war auch schon hinaus. Wenig später galoppierte er auf einem neuen Leihpferd die Straße entlang, die er vor weniger als einer halben Stunde gekommen war.
    Sir Roland war einer von Henrys besten Diplomaten gewesen, der immer ein wachsames Auge und scharfes Ohr gehabt hatte. Er war an Königin Eleonores Hof von einer Hure in seinem Bett ermordet worden. Emmanuelle Foulaise. Eine Dirne. Julian trieb sein Pferd an, als könnte er in diesem Wahnsinnstempo dem Höllenfeuer entrinnen, das in ihm brannte. Wieder sah er Viviana vor sich. Für eine Sekunde dachte er daran, sich von dem dahingaloppierenden Pferd zu stürzen und dieser Qual ein Ende zu bereiten. Wie hatte er sich so täuschen können? Er hatte geglaubt, Gott habe sein Flehen erhört und ihm einen Engel geschickt. Vielleicht gab es gar keinen Gott, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Er war im Begriff, den Verstand zu verlieren! Julian zog am Zügel, und das Tier kam schnaubend und zitternd zum Stehen. Er stieg ab und fiel auf die Knie, seine Stirn gegen die Fäuste gepresst. Gottes Wege waren unergründlich. Vielleicht war er schon verloren, und Gott hatte ihn verlassen, und ein böser Teufel trieb sein Spiel mit ihm. Mühsam stand Julian auf, griff zum Zügel und stieg wieder auf. Er musste Thorn und Emmitt informieren, dass sie auf der falschen Fährte waren. Gemeinsam mussten sie die Französin finden.

• 15 •
    E s war Abend, als er schließlich

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