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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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wieder durch das Stadttor ritt. Er sprach zunächst beim Sheriff vor, aber es gab keine neuen Nachrichten. Im Gästehaus der Abtei wurde ihm gesagt, dass Melchor Thorn und sein Begleiter gegen Mittag abgereist waren. Julian rieb sich die Stirn. Er konnte heute nichts mehr ausrichten. Eine tiefe Erschöpfung legte sich auf ihn, langsam führte er das Pferd zu Fuß zum »Goldenen Hund« und übergab es dem Stallknecht. Er trat in die Diele, die im Halbdunkeln lag. Die Abendmesse wurde gelesen, und das Gasthaus war fast leer.
    »Julian!«
    Die Stimme, die ihn rief, betonte seinen Namen auf der letzten Silbe und war ein wenig rau. Sein Körper spannte sich an. Er blickte sich um, und da saß sie am Fenster, getaucht in das weiche Abendlicht erschien ihre Gestalt fast unwirklich. Sie winkte. Er starrte sie einen Augenblick wie eine Erscheinung an.
    »Viviana?«
    Sie lächelte und winkte wieder. Sehnsucht zog ihn zu ihr, während er gleichzeitig in höchster Alarmbereitschaft war. Er ging zu ihr hinüber.
    »Welch ein glücklicher Zufall, dass wir uns gefunden haben!«
    »Ich habe nach dir gesucht.«
    »Ich habe auch nach dir gesucht.«
    Er setzte sich, und sie blickte ihn forschend an.
    »Julian. Du siehst schrecklich aus. Bist du krank?«
    Sie legte ihre warme Hand auf seinen Arm, und er wollte sie fortschieben, und doch dürstete ihn nach ihrer Berührung. »Ich habe einen langen Ritt hinter mir. Ich bin nur müde. Hast du schon etwas gegessen? Ich bin am Verhungern.«
    »Ich habe vorhin schon etwas gegessen, aber ein Bier würde ich nicht verschmähen.« Sie zwinkerte ihm zu.
    Das konnte doch alles nicht richtig sein. Vor ihm saß die Viviana, wie er sie kannte, die er liebte – und doch war sie eine mörderische Spionin des Feindes. Julian rief nach dem Wirt und bestellte zwei Bier und ein Abendessen.
    »Also, was hast du erlebt, seitdem mein unseliges Pony durchgegangen ist? Hast du irgendetwas über Rinaldo in Erfahrung bringen können? Und wen hast du hier verprügelt?«
    »So viele Fragen auf einmal!«
    Der Wirt brachte zwei Bierkrüge. Julian schob ihr einen davon über den Tisch zu, und ihre Hände berührten sich.
    »Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist. Ich habe mir Sorgen gemacht.« Sie lächelte ihn an.
    Julian nahm einen Schluck Bier.
    »Also, ich habe zuerst gefragt. Welche Abenteuer hast du erlebt?«, fragte sie wieder.
    Julian berichtete, was geschehen war, seitdem sie voneinander getrennt worden waren, mit Ausnahme seines Zusammentreffens mit seinen Kollegen und natürlich seines Rittes nach Salisbury. Offenbar hatte der Wirt Viviana von Emmitt erzählt. Er musste sich etwas ausdenken.
    »Während ich hier stand und nach Rinaldo und dir fragte, sah ich einen Kerl, mit dem ich noch eine Rechnung offen hatte.«
    »Eine Rechnung offen?«
    »Ja, er schuldet mir Geld. Das heißt, er schuldete mir Geld. Jetzt nicht mehr.«
    »Dir und nicht dem König?«
    »Mir.«
    »Und du hast ihn verprügelt?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Aber der Wirt hat gesagt …«
    »Der Wirt ist ein Idiot. Der Kerl sagte, er hätte das Geld in seinem Zimmer. Ich bin ihm gefolgt. Er wollte aus dem Fenster flüchten, und es gab eine kleine Rauferei. Das war alles.«
    »Und jetzt hast du dein Geld wieder.«
    »Nicht alles, aber dafür habe ich sein Zimmer.«
    »In einer Stadt wie dieser ist das sicher mehr wert, als er dir geschuldet hat«, stellte Viviana fröhlich fest.
    »Vermutlich.« Julian betrachtete sie. Emmanuelle Foulaise war eine perfekte Schauspielerin.
    »Und was hast du erlebt?«
    Viviana berichtete ebenfalls alles, was sich zugetragen hatte, bis auf ihr Zusammentreffen mit Melchor Thorn.
    »Das mit dem Leichenfund musst du mir noch einmal in Ruhe ausführlich erklären, aber ich muss sagen, deine Geschichte ist viel abenteuerlicher als meine.«
    »Das finde ich auch. Aber du bist ja schließlich der langweilige Beamte und nicht ich.«
    »Ja, das stimmt.«
    Das Abendessen wurde gebracht, und Julian widmete sich seinem Braten mit Rüben und Zwiebeln. Viviana betrachtete ihn. Entgegen seinen Beteuerungen, dass alles in Ordnung sei, sah Julian blass aus, hagerer als sonst, und um seinen Mund lag ein strenger Zug, der vorher nicht dagewesen war. Er war bei seiner Geschichte, im Dienste des Königs zu stehen, geblieben. Doch es war ihr klar, dass er etwas verbarg, etwas, was ihm Sorgen machte. Sie wusste nicht, ob sie ihn direkt fragen sollte.
    »Und du hast nichts von Rinaldo gehört?«
    Er schüttelte den Kopf und

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