Das Amulett der Pilgerin - Roman
organisieren.«
Viviana dachte kurz nach und sagte dann: »Ich komme mit. Ich habe tatsächlich keine Lust, mich in diesem Aufzug und auf einem Pferd ohne Sattel zur Küste durchzuschlagen.« Sie band die Tiere los und schwang sich auf den nackten Pferderücken. Julian stieg etwas umständlich mit Hilfe eines Holzblocks auf.
»Ich würde auch gerne sicherstellen, dass du wohlbehalten bei deiner Kanzlei ankommst. Es wäre doch schade, wenn der ganze Aufwand umsonst gewesen wäre und du auf dem Weg vom Pferd fällst und im Straßengraben verreckst.«
Sie zwinkerte ihm zu, und Julian war froh, wieder etwas von dem üblichen Schalk in ihren Augen zu entdecken. Sie ritten auf dem noch menschenleeren Weg Richtung Stadt.
»Was wirst du tun, jetzt, wo alles vorbei ist?«
»Es ist keineswegs alles vorbei. Es fängt doch erst an. Eine Verschwörung gegen den König ist im Gange, und unsere Feinde haben durch die Liste gerade die erste Runde gewonnen.«
»Das stimmt.«
»Jetzt heißt es also, noch mehr arbeiten, um diese Verschwörer zu finden.«
Und den Glatzkopf abzustechen, und zwar ohne Gerichtsverfahren, dachte Julian grimmig. Das würde er aber nicht laut sagen, sonst würde Viviana es ihm immer wieder vorhalten. Dann fiel ihm ein, dass sie sich wahrscheinlich nicht wiedersehen würden, und wenn, dann nicht unter diesen seltsam freundschaftlichen Umständen. Julian hatte keine Lust, diesem Gedanken weiter nachzugehen. Sie kamen an der Saint-Michaels-Pilgerkirche vorbei und erreichten die Stadtgrenze, als sich ihnen plötzlich zwei Wachen der Stadt in den Weg stellten und sie aufforderten anzuhalten. Hinter ihnen tauchten zwei weitere Männer der Wache auf. Vivianas und Julians Blicke trafen sich, aber er schüttelte unmerklich den Kopf.
»Was ist los?«
»Steigen Sie bitte ab, Sir, und Sie auch, Madame.«
Julian glitt aus dem Sattel.
»Ist Ihr Name Julian White?« Julian nickte.
»Wir haben den Auftrag, Sie festzunehmen und zum Sheriff zu bringen.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht, Sir. Werden Sie, ohne Widerstand zu leisten, folgen, oder müssen wir Gewalt anwenden?«
Julian hob beschwichtigend die Hände.
»Das ist nicht nötig, wir kommen auch so mit.«
Von vier Bewaffneten begleitet, wurden sie in die Stadt geführt. Ein paar Kinder liefen neben ihnen her, riefen Verwünschungen und warfen kleine Steine nach ihnen. Passanten blickten neugierig auf das schäbige Paar, das abgeführt wurde. Einige Leute spuckten vor ihnen aus.
»Ich habe mal gehört, dass man unschuldig ist, bis einem etwas nachgewiesen worden ist.«
»Das war bestimmt römisches Recht«, bemerkte Viviana trocken.
»Ich habe keine Ahnung, was das hier soll. Es ist sicher ein Missverständnis.«
Sie erreichten ein wehrhaftes Steingebäude, das die Stadtwache beherbergte. Kurz darauf wurden sie in einer der Zellen eingeschlossen, deren einziges Licht aus zwei schmalen, vergitterten Schlitzen unter der Decke kam.
»Na, wunderbar«, sagte Viviana und ging rastlos von einer Wand zur anderen. Julian zermarterte sich das Hirn, konnte aber keine Erklärung für ihre Verhaftung finden. Sie mussten nicht lange warten, bis sich die Tür wieder öffnete.
»Vielen Dank, Captain, der Kardinal ist Ihnen sehr verbunden.«
Julians Brauen zogen sich unwillig zusammen, als Melchor Thorn eintrat.
»Ah, White. Welch unglückliche Umstände führen uns wieder zusammen.«
»Was soll der Unsinn, Thorn?«
»Das erkläre ich dir gleich, aber zunächst möchte ich erst einmal Mademoiselle Emmanuelle beglückwünschen.« Er klatschte lässig in die Hände. »Sie sind eine sehr scharfsinnige Frau, ich bin beeindruckt!«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Viviana.
»Die Liste.«
»Wir haben die Liste nicht mehr«, schaltete sich Julian ein.
»Das weiß ich doch schon längst«, winkte Thorn ab und wandte sich wieder an Viviana.
»Es tut mir leid, Mademoiselle Emmanuelle, aber wir werden Ihre Hilfe noch weiter in Anspruch nehmen müssen.«
»Was bieten Sie mir?«
Julian starrte Viviana überrascht an.
»Freien Abzug, und wir verdoppeln auch gerne Ihre Bezahlung.«
»Einverstanden.«
»Was, zum Teufel, geht hier vor sich?« Julian explodierte.
Melchor Thorn wandte sich ihm provozierend lässig zu.
»Sag du es mir, White, welchen Wert haben Namen, die man nicht lesen kann?«
»Du hast die Liste?«, fragte Julian völlig überrascht.
»Richtig. Nur leider kann ich sie nicht lesen.«
»Die Namen auf der Liste sind verschlüsselt?«
»Allerdings.
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