Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
Vom Netzwerk:
Ein Barbar wie der Glatzkopf hatte sie gehabt, und das ließ Melchors Wunsch nur noch größer werden. Er änderte seine Vorgehensweise.
    »Würden Sie die Liste für mich entschlüsseln?«
    »Auf welcher Seite stehen Sie?«
    »Sagen wir, ich weiß es noch nicht.«
    Viviana löste nachdenklich ihren Zopf, und Melchor kam der Gedanke, dass er seine Hände gerne in ihren offenen, schwarzen Haaren vergraben würde.
    »Der Schlüsselcode ist verloren gegangen.« Sie öffnete das Medaillon um ihren Hals und zeigte ihm, dass es leer war.
    Melchors Brauen zogen sich unwillig zusammen.
    »Aber«, fuhr Viviana fort, noch ehe er seinen Unmut äußern konnte, »es gibt einen zweiten Code.«
    »Wo ist er?«
    »Er befindet sich in London.«
    »Wo?«
    »Sie werden verstehen, dass ich Ihnen das jetzt noch nicht sagen möchte. Er befindet sich bei einem Verbündeten des Mannes, der mich beauftragt hat.«
    »Ich dachte, Sie könnten keinen Kontakt zu Ihren Auftraggebern aufnehmen.«
    »Ich habe gelogen.« Ein verschwörerischer Funke glomm in Vivianas dunklen Augen auf.
    Sie hatte doch mehr mit der Verschwörung zu tun als sie zugegeben hatte, dachte Melchor. Wenn er mit ihr gemeinsame Sache machte, könnte er Bigod vielleicht ausbooten. Hugh Bigod, Earl of Norfolk, hatte sich in der Vergangenheit dadurch ausgezeichnet, seine Unterstützung dem Meistbietenden anzutragen. Nach dem Tod des alten König Henry war er der Erste gewesen, der seinen Eid gebrochen und sich offen für Stephen als Nachfolger ausgesprochen hatte. Als das Kriegsglück Stephen zeitweilig verließ, war er wiederum der Erste, der seinem Herrn die Treue aufkündigte. Während des Bürgerkrieges wechselte er mehrmals die Seiten, immer auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Stephens Nachfolger, der jetzige König Henry, hatte ebenfalls schon ein paar Mal Schwierigkeiten mit dem eigenwilligen Earl gehabt. Diese Angelegenheit jedoch war größer als jeder Widerstand, mit dem König Henry bisher konfrontiert worden war. Melchor verstand Bigods eigennütziges Lavieren bestens, aber einem Mann, der keine Treue kannte, war nicht zu vertrauen. Das konnte er aus erster Hand bestätigen. Er selbst war jetzt ein Helfershelfer Bigods und stand auf der gleichen Stufe wie der Glatzkopf. Außerdem war Melchor sich keineswegs sicher, dass Bigod sich für seine Hilfe ausreichend erkenntlich zeigen würde. Er betrachtete Viviana, deren langes Haar ihr wie schwarze Seide über die Schultern fiel. Vielleicht war dies tatsächlich ein Glücksfall. Wenn er sich mit der Französin verbünden würde, könnte er direkt mit den Verschwörern auf dem Festland Kontakt aufnehmen. Dann würde er Bigod nicht mehr brauchen und könnte ihn als einen der Organisatoren in England kaltstellen. Immerhin befand er sich im Besitz der Liste mit den Namen der möglichen Unterstützer der Rebellion, die er dann selbst kennenlernen könnte. Außerdem hatte er Informationen darüber, was die Geheime Kanzlei Henrys unternahm, um eine Rebellion zu verhindern. Das machte ihn zu einem der wichtigen Männer unter den Verschwörern. Wenn er es richtig anstellte, könnte er als zusätzliche Vergütung sogar noch diese ungemein verlockende Frau in sein Bett bekommen.
    Viviana beobachtete Melchor Thorn unter ihren langen Wimpern hervor und streckte den Rücken etwas durch, um ihre Rundungen besser zur Geltung zu bringen. Sie hatte ihm ein ausgezeichnetes Angebot gemacht: Macht und die Aussicht darauf, ihr Bett zu teilen. Kaum ein Mann konnte einer solchen Versuchung widerstehen, und das Beste daran war, dass Melchor jetzt dachte, es wäre seine eigene, brillante Idee gewesen.
    »Also, Mademoiselle Emmanuelle, was wäre, wenn wir auf derselben Seite stünden?«
    Viviana lächelte erfreut und verführerisch zugleich.
    »Nennen Sie mich ruhig weiter Viviana. Es ist fast wie mein Deckname hier.« Sie beugte sich vor. »Wir müssen nach London, um die Liste entschlüsseln zu können. Haben Sie das Pergament?«, fragte sie.
    »Nein, aber das lässt sich besorgen.«
    »Kann ich helfen?«
    Melchors Lippen verzogen sich zu der Andeutung eines Lächelns.
    »Nein, das kann ich schon selbst erledigen.«
    Viviana lehnte sich mit einem Seufzer der Erleichterung zurück und dachte gleichzeitig, welch ein überheblicher Mann Melchor Thorn doch war. Er war nicht besonders gut aussehend oder hatte sonst etwas, was ihn für Frauen anziehend machen würde. Aber trotzdem bildete er sich ein, dass eine Frau von Vivianas Schönheit Interesse an

Weitere Kostenlose Bücher