Das Amulett der Pilgerin - Roman
Alles schöne Namen, aber es gibt keine Personen dazu.«
»Wie kommst du an das Pergament, Thorn?«
»Du wolltest es mir ja nicht geben, da musste ich es mir eben selbst holen.«
Julian starrte Melchor Thorn an. Jetzt bekam alles einen Sinn. Thorn hatte von ihrem Aufenthaltsort erfahren. Immerhin kannte er Julians Identität, und so war es einfach, ihn zu finden. Vielleicht war Emmitt ihnen auch schon länger auf der Spur gewesen und hatte Berts Gasthaus entdeckt. Melchor Thorn hatte die Männer geschickt, die sie überfallen hatten.
»Weiß der Kardinal, dass du bei der Beschaffung der Liste auch gleichzeitig versucht hast, mich aus dem Weg zu räumen?«
»Was hast du denn erwartet, White?«
»Was meinst du?«
»Alles, was du tun musstest, war nach Westminster zurückzukehren.« Er kam näher und stand nun dicht vor Julian. »Doch nun stellt sich heraus«, fuhr Melchor Thorn in einem aufreizend sanften Tonfall fort, »dass du ein Verräter bist. Julian White, der Aufrechte, der Ehrenwerte, begeht Hochverrat.«
»Ein Verräter?«
»Aber ja. Wie könnte ich das wohl sonst deuten? Anstatt wie angewiesen mir die Sache zu überlassen, musstest du unbedingt die Liste an dich bringen.« Es war deutlich, wie sehr Melchor Thorn den Augenblick genoss. »Anstatt dann mit der Liste unverzüglich zu mir zu kommen, versteckst du dich damit. Was kann ich anderes daraus schließen, als dass du im Begriff bist, Hochverrat zu begehen?«
»Das glaubst du ja wohl selbst nicht.«
»Was ich glaube, ist nicht wichtig. Wichtig ist, was der Kardinal glaubt.«
»Ah, ich verstehe.«
»Na endlich.« Thorn wandte sich wieder an Viviana. »Aber nun werden Mademoiselle Emmanuelle und ich die Sache zu Ende bringen, während du im Loch verschwinden und dann nach Westminster überstellt werden wirst.« Er ging zur Tür und klopfte.
»Kommen Sie, die Zeit drängt.« Er winkte Viviana zu. Sie ging an Julian vorbei und blickte ihm sekundenlang in die Augen.
»Viel Glück, Julian.«
Dann folgte sie Melchor Thorn hinaus. Julian starrte ihr nach. Die Karten waren neu gemischt worden, und nichts war mehr so, wie es eben noch zu sein schien. Gilbert Miller kam mit einer Wache herein.
»Das hätte ich nicht von dir gedacht, White.«
»Sei doch kein Narr, Miller.«
»Binde ihn«, wies Gilbert Miller die Wache an. Julian schüttelte nur den Kopf. Miller würde ihn auch ungefragt exekutieren lassen. Befehle waren Befehle, und es wäre zu mühsam, sie zu hinterfragen. Er folgte Miller hinaus auf die Straße, und die Wache ging hinter ihnen her. Einige Häuser von dem Quartier der Geheimen Kanzlei nickte Gilbert Miller der Wache zu.
»Ab hier übernehme ich, vielen Dank.« Die Wache salutierte und ging.
»Ziemlich fahrlässig, jemanden so nahe zum Quartier zu führen.«
»Das kann dir doch jetzt gleichgültig sein, White.«
»Du bist ein Dummkopf, Miller.«
Gilbert Miller wirbelte herum.
»Tatsächlich, wer ist denn der Verräter und wurde gefasst?«
»Willst du vor allen Leuten Streit anfangen, damit wirklich jeder weiß, wo der Stützpunkt ist?«
Ärgerlich packte Miller Julian an den gebundenen Handgelenken und schob ihn vorwärts. Sie gingen durch eine dunkle Hofeinfahrt, dann durch noch eine in einen zweiten Hinterhof und schließlich durch eine unauffällige Tür. Die Innenräume waren überraschend groß, was daran lag, dass mehrere Wände zu dahinterliegenden Räumen anderer Häuser durchbrochen worden waren. Emmitt, der an einem Tisch saß und sein Schwert putzte, sprang auf. Seine Miene war bedrückt und sorgenvoll, und bei Julians Anblick sah er regelrecht unglücklich aus.
»Schließ ihn weg, Emmitt«, sagte Gilbert und schubste Julian vorwärts. Dann goss er sich einen Becher Wein ein, als wenn er selbst diesen gefährlichen Schwerverbrecher dingfest gemacht hätte. Julian kannte den Weg.
»Was ist hier los, Emmitt? Sind denn alle von Sinnen?« fragte Julian, als sie den niedrigen Gang zum Verließ entlanggingen.
»Ich weiß nicht, Sir. Mister Thorn hat die Anweisungen gegeben. Es tut mir leid.«
Sie erreichten die Zellentür, und Emmitt löste Julians Fesseln und öffnete das Schloss. Julian trat durch die Tür in den hohen, fast runden Raum. Angeblich sollten die gemauerten Wände ein Teil eines römischen Bades gewesen sein, als Saint Albans noch Verulamium hieß und neben London eine der bedeutendsten Siedlungen im römischen Britannien war. Die Tür schloss sich hinter ihm. Julian blickte auf die Gestalt, die an
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