Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
zu finden. Ich wurde nervös. Das dauerte so viel zu lange. Inzwischen waren fast zehn Minuten vergangen, seit wir die Bibliothek betreten hatten und bestimmt dreißig seit wir durch das Fenster im Dach eingestiegen waren. Als hätte ich es mit meinen Gedanken heraufbeschworen hörten wir Schritte. Die Seelenenergien der Jäger im Erdgeschoss bewegten sich viel zu schnell durch die Räume. Sie durchsuchten sie.
»Keira, sie fangen an Verdacht zu schöpfen. Sie durchsuchen das Erdgeschoss.«
Keira antwortete mir nicht, sondern beschleunigte ihre Schritte und raste nur noch an den Regalen vorbei. Mir fiel es jetzt schwerer die Titel durch die Seelensicht hindurch zu erkennen, aber sie jetzt zu verlassen wäre töricht. Ich war bei der äußersten Wand angekommen. Die Bücher hier waren noch viel älter. Ihre Titel waren in einer Schrift, die ich nicht lesen konnte. Ich wurde immer hektischer, als die Jäger den letzten Raum durchsuchten.
»Sie werden gleich hochkommen.«
Ich sagte es um einiges lauter, als ich beabsichtigt hatte.
»Such weiter.«
War ihre knappe und gehetzte Antwort. Ich erstarrte, als ich Schritte auf der Treppe hörte und zugleich sah, wie die Seelenergien sich zu uns hinaufbewegten. Unweigerlich sah ich auf den Fußboden, als könnte ich durch ihn hindurch auf die Jäger sehen. Dieser unbewusste Blick war unbezahlbar.
»Ich hab’s!«
Keira war binnen Sekunden neben mir. Sie kniete sich zu mir auf den Boden. Auf dem untersten Regalbrett stand ein schmales, rot eingebundenes Buch. Wie die Titel der anderen Bücher konnte ich auch diesen nicht lesen, aber er zeigte einen brüllenden Löwen. Schnell zog ich den Band heraus und hatte auch schon meinen Ring vom Finger gezogen, als ich wütende Aufschreie hörte.
»Sie haben sie gefunden.«
Keira sagte es völlig tonlos. Es war eine erschreckende Feststellung, die für uns nichts Gutes hieß. Ich hörte, wie die zweite Tür aufgeschlagen wurde. Jetzt wussten sie, dass Eindringlinge hier waren. Sie suchten uns und wir waren nur noch zwei Türen entfernt. Hektisch versuchte ich den Ring in die Verankerung zu stecken. Mit pochendem Herzen sah ich wie die Jäger die dritte Tür öffneten, in den Raum rannten und sofort wieder herauskamen. Jetzt würden sie zu uns kommen.
Ich hörte zwei gleichzeitige Klickgeräusche. Das eine verkündete das Einrasten des Ringes, das andere das Öffnen der Tür zur Bibliothek. Uns blieb sicherlich nicht einmal eine ganze Minute. Wir waren zwar in der hintersten und am besten geschützte Ecke, aber das würde nicht viel helfen. Das Bücherregal schwang zur Seite und gab eine schmale Treppe frei. Ich packte Keira am Arm und schubste sie hinein. Sie hatte gerade nach ihren Schwertern greifen wollen. Ich sah das hübsche Gesicht einer Frau gerade um die Ecke der am nahesten Bücherregalreihe sehen, als ich die Vertiefung in der Wand ertastete. Das Gesicht der Jägerin verzog sich noch mehr zu einer Maske des Zornes. Ein Gefühl, das ihre Schönheit völlig entstellte. Sie rief etwas, das ich nicht verstand und rannte dann auf mich zu. Der Ring klickte und das Regal fuhr zurück an seinen Platz. Pechschwarze Dunkelheit umgab uns. Ich hörte das dumpfe nicht zu verstehende Schreien der Frau.
Wir saßen richtig in der Klemme. Wir hatten zwar das Versteck gefunden, aber die Jäger wussten nun auch, wo es war. Ich hoffte, dass der Orden einen zweiten Ausgang gebaut hatte. Auch wenn es nur das winzigste Loch wäre. Irgendetwas, wodurch Keira und ich den Jägern auf der anderen Seite der Wand entkommen konnten. Keira kramte in ihrem Rucksack und kurz darauf hörte ich das Klicken ihrer Taschenlampe. Der Lichtpegel offenbarte uns eine schmale Treppe, die sich in die Tiefe wandt.
»Komm.«
Keira musste vorausgehen, da es unmöglich war, sich auf dieser Treppe an ihr vorbeizudrücken. Es gefiel ihr gar nicht, dass sie sich nicht zwischen mir und den Seelenjägern befand. Mein Herz wollte nicht zu seinem normalen Rhythmus zurückkehren. Es hämmerte unaufhaltsam in meiner Brust und dröhnte in meinen Ohren. Mein Herzschlag war so laut, dass er fast das Hämmern in meinem Rücken übertönte. Ich fragte mich, wie lange das Bücherregal und die Wand den wütenden Anhängern des Zirkels standhalten würden.
Wir rannten viel zu schnell die steile Treppe hinunter, die einfach kein Ende zu nehmen schien. Als sie schließlich in einen Tunnel überging, mussten wir weit unter dem Haus sein. Viel tiefer, als jeder Keller. Wir rannten
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