Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
den Weg und blieb nicht ein einziges Mal stehen, um nachzudenken. Sie hatte das hier wirklich lange geplant. Ich keuchte vor Anstrengung, aber erlaubte es nicht, dass wir auch nur eine Sekunde stehen blieben.
»Nicht mehr weit«, flüsterte Keira mir besorgt zu. Ich nickte nur als Antwort. Ich hatte meine Lippen viel zu sehr aufeinander gepresst, um ein Stöhnen zu verhindern, sodass ich nicht antworten konnte. Eine Idee sprang in meinen Kopf. Ich wusste nicht, ob es funktionieren würde. Immerhin hatte ich es seit Wochen nicht mehr geschafft in die Seelensicht einzutauchen, aber ein Bauchgefühl sagte mir, dass ich es wieder konnte. Als sich der vertraute Schleier über meine Augen legte, wünschte ich mir, ich hätte es nicht geschafft. Was ich sah, war eine Wand aus roten Punkten, die uns in alarmierender Geschwindigkeit einholte. Sie hatte mein Verschwinden bemerkt.
»Keira, sie kommen. Es sind viel zu viele.«
Keira wandte mir ein starres Gesicht zu.
»Nicht mehr weit Janlan. Wir müssen noch um zwei Ecken, dann kommst du genau an der Straße raus, wo das Auto steht. Ich habe es umgeparkt.«
Umständlich und ohne stehen zu bleiben, steckte sie mir den Schlüssel in die Hosentasche. Ich sah sie entgeistert an. Ich verstand nicht ganz, was hier gerade geschah. Oder eher, ich wollte es nicht verstehen. So viel hatte ich ertragen müssen und Keira ebenso und jetzt schien es alles umsonst.
»Rechts und wieder rechts!«, ihr Blick bohrte sich direkt in mein Herz.
»Keira du kommst mit!«
Ich wusste nur zu genau, was sie mir zu verstehen geben wollte. Sie ging nicht auf mein Gesagtes ein, sondern zog eines ihrer Schwerter.
»Hier, nimm das.« Sie zwang mir ihr Schwert in die Hand und sah mich, in stummer Verzweiflung um Verzeihung flehend an.
»Keira nein! Du kommst mit.«
Ich konnte mich nicht gegen die Tränen wehren, die jetzt in mir aufsteigen. Keira schien es ähnlich zu gehen, doch konnte ich hinter ihren Tränen eine sture Verbissenheit erkennen. Hinter uns stob ein Meer aus Seelenjäger um die Ecke. Für mich sah es aus als würde eine rote Welle über uns hereinbrechen. Ich konnte nur raten, wie viele es waren. Ich spürte, wie Keira mich noch ein letztes Mal fest umarmte und sagte, »Nur so kann ich es wieder gut machen. Es tut mir leid. Ich hab dich so schrecklich lieb.«
Dann schubste sie mich weiter in den Gang hinein.
»Renn! Janlan los!«
Ich wollte nicht. Ich wollte sie nicht schon wieder verlieren. Flehend sah ich über meine Schultern zu ihr zurück. Ihr Schwert wog ungewöhnlich viel in meiner Hand. Ich hoffte in ihren Augen einen winzigen Funken Hoffnung zu entdecken, dass sie glaubte, mir folgen zu können. Da war keiner. Nur der flehende Blick um Verzeihung und tobende Entschlossenheit. Sie stellte sich mit nur einem Schwert, kampfbereit mitten in den Gang. An ihr war vorerst kein Vorbeikommen. Sie wirkte wie eine einzige unaufhaltsame Naturgewalt, die vor Energie vibrierte. Ich zuckte zusammen, während ich immer noch weiter den Gang hinunter rannte, als ich das klirrende Aufeinanderprallen von Schwertern hörte. Keira war ein einziger blauer Sturm, der sich wütend auf seine Feinde stürzte. Ich hörte mehr als einmal das dumpfe Aufschlagen, eines toten Körpers. Gleich würde ich um die Ecke biegen und Keira nicht mehr sehen können. Ich konnte nicht anders als noch einmal zurückzusehen. Keira wurde fast völlig von dem Kreis der Jäger verschlungen. Noch hielt sie die Jäger auf Abstand, dann wandte ihr Gesicht sich plötzlich mir zu. Ihre Augen trafen meine. »Renn!« War die unmissverständliche Botschaft in ihnen. Dann weiteten sich ihre Augen und ihr Mund öffnete sich zu einem unvergesslichen Schrei. Ich hörte und ich sah, wie ihre Seelenenergie – das Band das Körper und Seele miteinander vereinte – zerrissen wurde. Ihr Körper fiel schlaf zu Boden, während eine silbrige Gestalt dort stand, wo ich eben noch ihre braun-grünen Augen und die lebendige Farbe ihres Gesichts gesehen hatte. Der Seelengeist meiner besten Freundin schwebte inmitten von Jägern und sah nur mich an. Ich konnte sie nicht hören, aber die Worte waren deutlich auf ihren Lippen zu erkennen, »Renn Janlan, renn! Es tut mir leid.«
Erst jetzt fiel mir auf, dass es zwei verschiedene Rottöne waren, die Keira umzingelten. Das eine war das mir vertraute der Seelenjäger. Das andere war noch intensiver. Es war ein stechendes Rot. Seelensammler. Seelensammler, die sich jetzt immer enger um den
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