Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
zurückführte. Ich würde immer wissen, wo er sein würde, solange ich eine Seelenseherin war.
Die Felswand verschluckte mich und umgab mich jetzt in jeder Richtung. Hätte ich nicht genau gewusst, von wo ich vor Sekunden gekommen war, wäre ich jetzt bereits hoffnungslos verloren. Es gab nur den Weg nach vorne. Hinter mir wurde mir eine solide Wand vorgegaukelt. Es war so duster und neblig in diesem Felsspalt, dass ich gezwungen war, meine Taschenlampe hervorzuholen, um nicht aus Versehen gegen die Wand zu laufen.
Ich fühlte mich, als wäre ich der letzte Mensch auf einer ansonsten toten Welt. So zumindest kam es mir vor, während ich zwischen den Nebelschwaden immer weiter lief, ohne genau zu wissen wohin. Die Sonne reichte nicht bis zu mir durch und ich wusste nicht mal, ob sie das überhaupt konnte oder ob ich mich in Wirklichkeit in einem Tunnel befand. Schnell waren meine Klamotten unangenehm feucht und klebten auf meiner Haut. Meine Hände fühlten sich klamm an und allmählich färbten sich meine Fingernägel blau. Etwas, das sie immer taten, wenn mir kalt war. Ich konnte nur hoffen, dass es den Sachen in meinem Rucksack besser erging.
Irgendwann war ich stehen geblieben und hatte mir Keiras Schwert umgehängt. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass das hier ein Ort war, wo man sich zu verteidigen wissen musste. Meine rechte Hand ruhte nun unentwegt auf dem Griff und meine Dolche saßen locker in den von Keira geschaffenen Taschen. Ich war also theoretisch für den Fall der Fälle bestens gerüstet. Zumindest wenn Keira mir wieder beistehen würde. Ich glaubte nicht, dass ich mich alleine lange im Schwertkampf behaupten konnte.
Ich verlor sämtliches Zeitgefühl. Ich wusste nicht, wie lange ich schon lief oder wie alt der Tag inzwischen war. Alles, was ich tat war, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Immer weiter gehen. Das war der unaufhörliche Gedanke, der durch meinen Kopf hallte. Eine plötzliche Windböe holte mich aus meinen festgefahrenen Gedanken. Sie wirbelte den Nebel um mich herum auf und zerzauste meine Haare. Ich kniff die Augen gegen den scharfen Wind zusammen und versuchte zu erkennen, wo der Luftstrom so plötzlich herkam. Bis eben hatte ich nicht das leise Säuseln des Windes wahrgenommen. Ich erstarrte, als die Nebelschwaden sich beruhigten und den Blick auf drei riesige Vögel freigaben, die direkt vor mir saßen und den Weg versperrten. An ihnen war kein Vorbeikommen. Meine Hand festigte sich um den Schwertgriff und mein Herzschlag steigerte sich automatisch.
Ich wusste nicht, was das für Tiere waren. Diese Vögel waren größer als alle, die ich je gesehen hatte oder von denen ich je gehört hatte. Sie würden gut und gern bis zum Dach eines großen Transporters reichen. Ihr Rücken war so breit wie eine durchschnittlich große Frau. Sie standen in einer Dreiecksformation. Der Größte und edelste der Vögel befand sich direkt vor mir und bildete die Spitze des Dreiecks. Ich erkannte, dass es ein unnatürlich großer Adler war. Ein Weißkopfadler, wie ich vermutete. Seine Federn waren von einem glänzenden Braun. Seinen Kopf schmückten weiße Federn, die sich in seinem Schwanz wiederholten. Er strahlte etwas Majestätisches aus, das mir zugleich Respekt aber auch Angst einflößte. Seine Augen strahlten in einem intelligenten Grau und waren unerbittlich auf mich gerichtet. Die Vögel an seiner Seite waren kleiner. Was sie nicht weniger eindrucksvoll machte. Ihr Gefieder war gräulich und von schwarzen und weißen Mustern durchzogen. Sie erinnerten mich an die Falken, die man in Alanien oft sehen konnte. Der Adler hingegen gehörte nicht in die Tierwelt dieses Landes. Seine Artgenossen lebten normalerweise in Südamerika und dort hatten sie ganz sicherlich nicht diese Ausmaße. Keiras Schwert an meiner Hüfte vibrierte. Meine Hand schloss sich noch fester um den Griff, wodurch meine Knöchel weiß hervortraten.
»Verbeug dich«, flüsterte Keira in meinen Gedanken. Sofort kam ich ihr nach. Meine Knie knickten ein und ich senkte respektvoll den Kopf. So wie man es vor einem König tun würde. Langsam vermutete ich, dass der Adler genau das war. Ein König.
»Wer bist du«, erklang eine merkwürdig sanfte Stimme. Ich musste nicht raten, um zu wissen, von welchem der Vögel sie kam. Es war die Stimme des Adlers. Vorsichtig hob ich meine Augen und traf sofort den Blick der intelligenten grauen Augen.
»Ich bin Janlan Alverra, Seelenseherin und Oberhaupt des Ordens von
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