Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
nur zu gerne. Sog sie auf wie ein Licht in dieser trüben Umgebung. Auch wenn ich alleine ging, war ich es dennoch nie. An meiner Seite schwang Keiras Schwert, hinter mir verband mich der silbrige Faden immer noch mit Craig.
Ich trat einen weiteren Schritt vor und aus dem zottigen Etwas, wurde ein glattes Fell. Aus den Monumenten bildeten sich die grazilen Körper dreier Löwen. Mit dem nächsten Schritt erkannte ich, dass der Löwe in der Mitte viel mehr eine Löwin war. Sie wirkte majestätischer und anmutiger als die männlichen Geschöpfe an ihren Flanken. Ihre Gestalt war drahtiger, aber nicht weniger kraftvoll. Ihr Fell glänzte selbst in diesem schummrigen Licht. Ich erkannte feine Wasserperlen die sich wie kleine Diamanten über ihrem Fell verteilten. Die meisten glitzerten auf ihrem Kopf und verliehen so den Eindruck einer schimmernden Krone. Keiner von ihnen bewegte sich als ich mich ihnen weiter näherte. Dennoch folgten ihre bernsteinfarbenen Augen jeder meiner Bewegungen. Den hellsten Ton hatten die Augen der Löwin. Sie wirkten wie die Realdins, unheimlich intelligent. Etwas, das ich von Tieren nicht in diesem Maße gewohnt war. Die Augen der Löwin waren sanfter und gebietender als die ihrer Begleiter. Ihr Pelz war von einem hellen Sandton und hob sich geradezu perfekt von dem rötlich braunen Fell der Löwen ab. Es gab keinen Zweifel, wer hier die Anführerin war.
»Ich bin Sebilia. Königin der Löwen hier und jenseits dieser Berge«, erklang die schnurrende Stimme der unvorstellbar großen Raubkatze. Ich wusste, dass aus dem Schnurren sehr schnell ein tödliches Fauchen werden konnte. Ich verneigte mich wie zuvor bei Realdin und wartete darauf, dass Sebilia erneut zu mir sprach.
»Es ist nicht an euch sich zu verbeugen, Janlan Alverra. Erhebt euch. Wir sind es, die euch untertänig sind.«
Ich lugte aus meinen gesenkten Augen hoch und vergewisserte mich, dass ich keiner Falle zum Opfer fiel. Sebilias Augen sahen mich erhaben an. Sie würde mir nichts tun. Ich richtete mich auf. Eine Bewegung, die mir kalte Tropfen den Rücken hinunter laufen ließ. Ich schüttelte mich vor Überraschung.
»Ihr seid die Schutztiere meiner Familie, nicht wahr?«
Ich hatte es gewusst, als ich Sebilias Augen erkundet hatte. Sie war mir ergeben. Und die anderen Löwen wiederum ihr. Dennoch hatte ich kein Risiko eingehen können. So kurz vor dem Ziel zu scheitern, wäre unverzeihlich. Sebilias Kopf senkte sich zu einem imposanten Nicken.
»So ist es. Ich habe seit Jahrhunderten keinen deiner Familie hier in dieser Schlucht gesehen. Es ehrt mich, euch nach so vielen Jahren kennenzulernen. Da König Realdin euch durchließ, gehe ich davon aus, euer Schützer ist noch hinter euch?«
Ich war mir nicht ganz sicher, ob das eine Frage war oder die feste Annahme einer selbstverständlichen Tatsache. Ich schluckte, um mich auf die Worte vorzubereiten, die ich so hasste, immer wieder aufs Neue aussprechen zu müssen.
»Keira Kanterra ist tot. Der Zirkel hat sie ermordet.«
Die Löwin legte ihren Kopf schief und sah mich verständnislos an.
»Wenn dem so wäre, hätte Realdin dich nicht zu mir durchgelassen. Nur mit dem Schützer an der Seite ist das Oberhaupt des Ordens von Alverra in der Lage die Spalte in den Bergen von Turian zu betreten.«
Ich seufzte gequält. Ein Laut, der die Wachen Sebilias unruhige zusammenzucken ließ.
»Keira hat einen Teil ihrer Seele in ihrem Schwert bei mir zurückgelassen. Ein Teil von ihr ist also noch bei mir, dennoch ändert das nichts an ihrem Tod.«
Meine Hand umfasste wieder das Heft und hob es einen Fingerbreit aus seiner Schwertscheide. Das vertraute rhythmische Vibrieren von Keiras Herzen erklang. Sebilia erhob sich in einer fließenden Bewegung und überbrückte die kurze Distanz mit nur einem Schritt. Ihre feuchte Nase berührte meine Hand an Keiras Schwert. Ich konnte jedes einzelne Haar auf ihrem Kopf erkennen. Sie war mir so nahe, dass ich die Wärme ihres enormen Körpers spürte. Jeder normale Mensch hätte sich umgedreht und wäre davon gerannt, wenn eine so riesige Raubkatze direkt vor ihm stand. Ich rührte mich nicht. Aber nicht aus Angst, sondern aus tief verwurzeltem Vertrauen. Sebilia war das Schutztier meiner Familie. Sie war geboren, um mich zu beschützen, nicht um mich zu töten. Ihre Ohren zuckten unruhig zu dem Schwert hin, jedes Mal wieder, wenn der körperlose Herzschlag erklang. Wir verweilten in dieser Position, als hätte uns ein Künstler in Stein
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