Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
im Gesicht, der verriet, dass auch er sich nicht sicher war, was er gerade gesehen hatte. Ich wandte mich wieder an mein schwarzes Ich an der Wand. Unschlüssig und sehr wohl mit den Gedanken im Kopf, dass ich verrückt wurde, ging ich auf meinen Schatten zu. Mit jedem Schritt wurden seine Umrisse noch schärfer und selbst einzelne Haare waren jetzt auf der Felswand sichtbar. Der Schatten war mein Schatten und trotzdem hatte er sich getrennt von mir bewegt. Als ich so nahe vor ihm oder vor mir stand - ich wusste nicht, wie man das hier bezeichnen sollte – dachte ich wirkliche schwarze Augen auszumachen. Etwas, das ein Schatten auf gar keinem Fall besitzen sollte. Ein Schatten selbst hatte keine Schattierungen. Er war eine einzige schwarze Fläche. Zumindest sollte das so sein. Hier war es nicht der Fall. Der Schatten vor mir, mein Schatten, hatte Augen. Schwarze Augen, die mich aufmerksam musterten. Wieder tat mein Schatten etwas, was er nicht tun sollte. Er legte seinen Kopf schief und sah mich erwartungsvoll an.
»Wer bist du?«, fragte ich leise. Ich wollte es nicht lauter aussprechen. Dieser Ort hatte eine unheimliche Wirkung und ich war mir nicht sicher, ob ein lebendiger Schatten wirklich das Einzige war, was hier lauerte. Ich sah, wie sich zu den Augen ein weiteres Merkmal eines Gesichtes bildete. Mein Schatten bekam seinen eigenen Mund. Stumm, aber klar erkennbar, formte der Mund die Worte, »Du und jeder andere.«
Ich wollte zurückweichen, unterdrückte dieses instinktive Verhalten aber sofort.
»Wo kommst du her?«, war meine nächste Frage, die ich an mein Schatten-Ich stellte. Wieder hob es den Arm und deutete rechts die Wand entlang.
»Ist dort ein Weg in die Berge hinein? Komm ich da zum singenden Baum?…«
Ich versuchte, den aufsteigenden Schwall an Fragen zu kontrollieren. Mein Schatten öffnete erneut seinen Mund, ohne dass ein Laut herauskam.
»Ja.«
»Das ist alles? Ja?«, wütend starrte ich meine eigenen Umrisse an. »Ich hatte etwas mehr Hilfe erwartet.«
Der Schatten hob erneut seinen Arm und deutet immer noch in dieselbe Richtung.
»Ist ja gut«, murmelte ich und stampfte zurück zum Wagen, um meine Taschenlampe zu holen. Der Schatten verschwand, als ich aus dem Licht des Wagens trat und an der Wand entlang lief. Genau dort entlang, wo der Schatten mich hingewiesen hatte. Ich konnte nichts entdecken. Nichts anderes außer dem schwarzen unheimlichen Stein.
»Hier ist nichts«, fuhr ich wütend herum und wollte den Schatten anschreien. Aber der war natürlich verschwunden, als ich den Lichtpegel verlassen hatte.
»Hey, Schatten!«, rief ich in die Dunkelheit der Nacht und kam mir dabei ziemlich dämlich vor.
»Janlan…«
Ich sah das Springen seiner Lichtreflexe vor mir an der Wand. Oder ich hätte sie sehen müssen. Da war ich mir sicher. Aber vor mir lag der Fels so schwarz und unberührt wie zuvor. Craigs Licht war nirgends zu sehen, auch nicht, als er neben mir stand. Sein Licht erreichte den Fels nicht oder tat es und wurde von diesem verschluckt. Genauso wie die Straße.
»Siehst du etwas?«, fragte ich Craig und überging die Unsicherheit, die das Fehlen seines Lichtes bei mir verursachte. Er antwortete nicht und nickt nur zu der Wand vor mir.
»Hast du jetzt etwa auch deine Stimme verloren?«, fuhr ich ihn ein wenig bissig an. Sofort sah ich entschuldigend zu ihm. Er lächelte nur.
»Vielleicht solltest du dich bis zum Morgen gedulden. Ich bin sicher, dann wirst du sehen, was du sehen sollst.«
Ich grummelte etwas unverständlich und schlurfte dann zurück zum Wagen. Craig hatte sicher recht. Ich war ohnehin zu müde, um noch irgendetwas zu unternehmen. Vielleicht war ich auch zu müde, um zu sehen, was mein Schatten mir hatte zeigen wollen.
»Okay. Du hast recht. Ich leg mich hin…«, sagte ich und hatte mich schon unter dem Berg an Decken vergraben. Craig hatte seinen üblichen Platz auf dem Fahrersitz eingenommen und beobachtete mich und die Nacht. Seine Augen während meines Schlafes auf mir zu wissen, störte mich nicht im Geringsten. Ich fühlte mich eher geschützt. Craig würde mich wecken, wenn mir auch nur eine klitzekleine Gefahr drohte. Meine Träume waren so unruhig wie eh und je, seit ich zu dieser verdammten Reise aufgebrochen war. Dennoch fand ich ein wenig Erholung, als mein Traum sich in die heißen Quellen verwandelte. Ich war wieder in dem wohlig warmen Wasser und Craig war direkt vor mir. Ich durchlebte den ganzen Teil dieser wundervollen Nacht
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