Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
Kreislauf, der nie verging und nie genau derselbe war. Ich protestierte nicht als Sebilia mich einen schmalen Weg an der Felswand hinab trug. Ich betrachtete weiterhin alles, was mich umgab und lauschte dem verführenden Lied.
Meine Seele schmerzte, als ich daran denken musste, dass es einem Seelenseher nicht bestimmt war, diesen Ort alleine zu betreten. Dass es mir nicht bestimmt war hier ohne Keira zu sein. Sie hätte auf einem der Löwen an meiner Seite sitzen sollen. Ebenso erstaunt über das, was sie sah und hörte wie ich. Sebilias Stimme holte mich aus meinen traurigen Gedanken.
»Sie wird das alles sehen. Sie ist bei dir, auch wenn ihr Körper nicht an deiner Seite ist. Sie sieht es durch deine Augen. Und sie hört es durch dein Herz. Ihr seid weit mehr als Seelenseherin und Schützerin. Für euch gelten keine Gesetze und Regeln. Ihr stellt eure eigenen auf. Vertraue darauf, Janlan Alverra und du wirst einen Weg finden.«
Ich schaukelte sanft auf ihrem Rücken, als ich ihr dankend durchs Fell strich.
Der Singende Baum
Der Abstieg war beschwerlich oder er wäre es gewesen, wenn ich nicht auf dem Rücken einer riesigen Löwin gesessen hätte. Sebilia trug mich ohne große Mühe den steinigen Weg hinab. Ein Weg, auf dem ich mehr als einmal hingefallen wäre und auf dem ich sicher kleine Steinlawinen losgetreten hätte. Ich war also mehr als dankbar, dass ich nicht zu Fuß hier herunter musste. Sebilia hatte da überhaupt keine Probleme. Schneller, als mir lieb war, verlor ich den überragenden Ausblick. Sebilias eleganter Körper bahnte sich nun einen fast unsichtbaren Weg durch das immens hohe Gras.
Es war erschreckend, wie schnell Sebilia die weite Strecke von der Felswand bis zu dem gigantischen Baum zurücklegte. Es mussten mindestens zehn Kilometer gewesen sein, wenn nicht noch mehr und Sebilia brauchte nur wenige Minuten. Ich sah mich schon durch die Luft fliegen und unsanft Bekanntschaft mit der harten Baumrinde machen, als Sebilias Hinterläufe zum Sprung ansetzten und uns mit einer unheimlichen Kraft auf eine Wurzel katapultierte. Die Wurzel musste einen Durchmesser von gut fünf Metern haben. Es war überwältigend, dass die Natur ein solches Wunder vollbringen sollte. Sebilia legte sich wie in dem nebligen nassen Spalt flach auf den Boden und ermöglichte mir so ein recht sicheres Absteigen. Ich hatte keine Lust von ihrem Rücken zu fallen, nur um dann mit ein paar Saltos gerade wieder über den Rand der Wurzel zu fallen.
Meine Beine drohten einzuknicken, so wackelig waren sie noch von dem kurzen aber überragend schnellen Ritt. Ich ging vorsichtshalber in die Knie und wartete bis der Boden unter meinen Füßen – oder eher die Wurzel – ihre gewohnte Härte angenommen hatte. Im Moment fühlte ich mich, als stünde ich mit beiden Beinen auf einem riesigen Wackelpudding. Ich war halt wirklich nicht zum Reiten geboren, ob es nun auf einem Pferd oder auf einem Löwen war. Ich gehörte mit beiden Füßen auf den Boden oder an die Pedale meines Mustangs. Sebilia saß inzwischen majestätisch vor mir und betrachtete, wie ich mit meinem Gleichgewicht kämpfte. Als ich endlich wieder standhaft genug war, erhob ich mich und wurde von der erneuten Aussicht beinahe wieder umgeworfen. Ich war jetzt schon wieder fast so hoch wie auf der Klippe und dabei stand ich nur auf einer Wurzel des Baumes.
Die Löwen waren zu Salzsäulen erstarrt und sahen wie ich in das weite Tal hinab. Das ununterbrochene Lied war mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich fühlte es in jeder Ader meines Körpers. Jede Faser schwang in der unterschwelligen Melodie. Die Zeit schien hier einfach nicht zu vergehen. Ich stand am Rande der Wurzel und schloss meine Augen, als der Wind angenehm anfing mit meinen Haaren zu spielen. Ich sog die Luft begierig ein. Eine ebenso reine Luft würde man wohl auf der ganzen Welt nicht finden. Sebilias Stimme holte mich aus meiner tiefen Ruhe.
»Kann ich dir noch irgendwie behilflich sein?«
Ich wandte mich nur halb zu ihr um. Den Blick auch nur eine Sekunde von diesem Tal zu nehmen, kam schon einem Verbrechen gleich. Es widerstrebte mir. Ein zu langer Aufenthalt hier würde wohl verhindern, dass ich je wieder ging. Das war wirklich das Ewige Tal. Keine der Geschichten und keiner der Dichter hatte übertrieben, als er dies hier beschrieb. Obwohl ich mir recht sicher war, dass ich seit unzähligen Jahren der erste Mensch war, der dies mit seinen eigenen Augen sah.
»Ich denke, ich komme
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