Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
ich das machen soll.«
Es war merkwürdig, die Statue mit einem Namen anzusprechen. Zumal mir die wirkliche Sebilia noch sehr gut in Erinnerung war.
»Kannst du nicht sprechen?«
Wieder wanderte der Blick nur zum Adler hinauf. Frustriert packte ich den Griff von Keiras Schwert. Ich wusste nicht, warum ich es tat. Es geschah einfach. Ein kräftiger und völlig unerwarteter Windstoß riss mich von meinen Füßen und warf mich eine Stufe hinunter. Ich krachte schmerzhaft auf den Boden und stöhnte auf, als mir mal wieder jede Luft aus den Lungen gepresst wurde.
»Janlan! Alles in Ordnung?!«, rief Craig mir erschrocken zu. Ich winkte nur und richtete meinen Blick hoch zur Statue. Nicht nur die goldenen Augen des Löwen musterten mich, sondern auch die des Adlers. Seine Flügel schlugen unaufhörlich, um sich an Ort und Stelle in der Luft zu halten. Schnell und dabei den Schmerz an meiner Seite ignorierend, kletterte ich zurück neben die Statue.
»Realdin?«, fragte ich zögerlich. Es war nur logisch, dass es Realdin sein musste, wenn der Löwe Sebilia repräsentierte. Der Adler senkte elegant seinen Kopf und deutete so ein fast nicht erkennbares Nicken an.
»Realdin!«, rief ich nun glücklich aus. Ich hatte den Adler zum Leben erweckt. Jetzt fehlte nur noch die goldene Kugel, die aus sechs Ringen bestand, die irgendwelche Gegensätze darstellen sollten. Erst jetzt wurde mir das leise flüstern von Keiras Gedanken bewusst. Ich sah hinunter an meine rechte Hüfte. Meine Hand ruhte immer noch auf dem Griff des Schwertes. Ich lachte laut auf, als mich die Erkenntnis traf, wie ein Blitz den einsamen Baum auf einem weiten Feld. Nicht ich hatte den Adler geweckt, sondern Keira. Wieder mal war ihre merkwürdige Anwesenheit der Grund, dass meine Aufgabe nicht scheiterte.
»Danke«, flüsterte ich leise, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die goldenen Tiere vor mir richtete.
»Was muss ich jetzt noch tun?«
Sowohl die Statue Sebilias als auch die Realdins richteten ihren Blick auf meine Brust. Sie heftete ihren Augen auf das Amulett der Seelentropfen, das immer noch um meinen Hals hing. Verwirrt und unsicher zugleich sah ich ebenfalls auf das große Schmuckstück. Der Stein in der Mitte des Amuletts bestand immer noch aus der silbrigblauen Flüssigkeit, allerdings war etwas anders. Die Flüssigkeit wirbelte viel wilder umeinander. Etwas hatte sie in höchste Aufregung versetzt. Synchron, als würden sie von einer einzigen unsichtbaren Macht gesteuert, wandten sich die Köpfe von Löwe und Adler ab und sahen direkt in die Sonne, die bereits weit in den Himmel hinauf geklettert war.
»Die Sonne«, flüsterte ich, wie um mir selbst etwas klarzumachen. Ich lief um die Statue des Löwen herum, bis ich genau in der Mitte von Adler und Löwe stand. Ein warmes Prickeln durchfuhr meinen ganzen Körper, als ein einziger Sonnenstrahl auf den Stein im Amulett fiel. Je länger das Sonnenlicht auf dem Stein verweilte, umso stärker wurde das warme Gefühl. Ein Knistern über mir erhaschte meine Aufmerksamkeit. Ich sah verwundert zur Decke und so gleichzeitig zum Himmel. Über mir bildete sich ein heller Lichtknoten, der immer intensiver wurde. Allmählich erkannte ich goldene Linien, die sich umeinander schlangen und sich mehr und mehr voneinander abzeichneten. Vor meinen Augen und völlig aus dem Nichts tauchten die sechs goldenen Ringe der Gegensätzlichkeit auf.
Mit einem leisen Zischen wurde aus den unscharfen Linien gegenständliches Metall. Anders als jedoch erwartet drehten sich die Ringe nun nicht mehr umeinander. Sie standen still. Schwebten in der Luft nur einen Meter über meinem Kopf. Ich war wie in einem euphorischen Adrenalinschock. Ich war mir sicher, dass in wenigen Minuten alles vorbei sein würde. Mein Herz klopfte aufgeregt und pochte laut in meinen Ohren. Wie von selbst, strichen meine Finger über das Amulett und lösten den tropfenförmigen Stein aus seiner zarten Verankerung. Wie als hätte die goldene Kugel darauf gewartet senkte sie sich zu mir herab, als der Stein auf meiner offenen Handfläche lag. Ich musste nicht einen Zentimeter zurückweichen, so perfekt senkte sich die Kugel herab. Mit einer unerwartet ruhigen Hand legte ich den Stein in die Vorrichtung, die genau im Zentrum der Kugel war und ebenso wie die Kugel oder der Adler zu schweben schien. Es war, als würde die Schwerkraft in diesem Tempel wirklich nicht existieren. Als wäre dieser Ort der einzige auf der Welt, wo jedes normale
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