Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
lesen wollte, sah ich wie das Gold der Zeichnung schwand und schließlich nicht mehr zu sehen war. Nur der leere Fleck Wand blieb zurück. Als auch noch das Licht flackerte und erlosch, war es mehr als unmissverständlich, dass meine Zeit in diesem Raum abgelaufen war. Der Rest lag wohl ganz alleine bei mir.
Ich zitierte mir immer wieder die Worte, als ich den Raum verließ und hoffte, dass ich nicht eines von ihnen vergessen würde. Craig stand unter der Statue und sah mich erwartungsvoll und zugleich gespannt an. Er sprach mich nicht an, als er bemerkte, dass ich tief in Gedanken war und immer noch leise vor mich hin sprach. Ich setzte mich auf die unterste Stufe des Sockels der Statue. Er bestand aus zwei weiteren solcher treppenähnliche Gebilde. Stunde um Stunde saß ich dort, regungslos und murmelte nur stumme Worte und versuchte ihre Bedeutung zu enthüllen. Ich merkte nicht, wie das Licht, das durch die Kuppel fiel, immer schwächer wurde und schließlich einem blauen Sternenhimmel Platz einräumte.
»Janlan, leg dir eine Decke um«, flüsterte Craig leise, der keinen Meter von mir entfernt saß.
»Was…?«, fragte ich verwirrt und blickte aus müden Augen zu ihm auf.
»Du frierst. Also bitte nimm dir eine Decke.«
Immer noch leicht verwirrt ob der plötzlichen Unterbrechung, sah ich auf meine Hände hinunter. Sie umklammerten das Amulett. Meine Fingernägel waren von einem durchscheinenden Blau. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich wirklich fror. Schnell löste ich eine der Decken von meinem Rucksack und schlang sie um meinen Körper. Jetzt merkte ich auch, wie kalt mir war. So wie es immer passierte, wenn man von jemandem auf etwas aufmerksam gemacht wurde, was man zuvor gar nicht bemerkt hatte. Sobald sich meine Hände mit der Decke in der Hand berührten, versank ich wieder in den Tiefen meiner Überlegungen.
»Halt still«, flüsterte Craig und holte mich so erneut aus meinem Gedankenfluss.
»Warum?«, gab ich zurück. Das plötzliche vertraute Zunehmen, des stechenden Schmerzes verriet mir warum. Craig hatte sich hinter mich gesetzt und lächelte mich jetzt breit an.
»Jetzt kannst du dich zurücklegen, während du weiter vor dich hin brabbelst«, er versuchte neckisch zu klingen, aber ich hörte den liebevollen Unterton, den meine beinahe Berührung bei ihm auslöste. Es war ein wundervoller Gedanken, dass morgen aus dem Beinahe ein Tatsächlich werden würde. Sofern ich noch heraus bekam, wie ich den Adler zum Leben erweckte, die Kugel zum Erscheinen brachte und herausfand, wie ich alles und zugleich nichts sein konnte.
»Morgen…«, flüsterte ich und lehnte mich zurück in seinen Schoß. Klar die Decke trennte uns und dennoch konnte ich mir wie immer einbilden, ihn tatsächlich zu berühren.
»Morgen?«, wiederholte er fragend.
»Morgen werde ich deine Augen zum ersten Mal wirklich sehen.«
Ich drehte mich leicht in seinem Schoß, um in seine – noch silbernen – Augen zu sehen. In ihnen sah ich wie immer das liebevolle Funkeln, wenn er mich anlächelte, wie er es jetzt gerade tat.
»Morgen dann«, flüsterte er zurück und überließ mich dann wieder meinen Gedanken.
Alles und Nichts
Ein gleißend helles Licht stach mir in die Augen, als ich sie schläfrig am nächsten Morgen öffnete. Fast augenblicklich fuhr ich hoch und sah mich hektisch um. Craig stand an die Löwen Statue gelehnt und beobachtete mich. Ich musterte erst jedes Detail der Halle und suchte nach einem Anzeichen, ob sich etwas über Nacht verändert hatte. Nichts. Alles war genauso wie vor Stunden, als ich eingeschlafen war.
Ich hatte gehofft, die goldene Kugel wäre erschienen und mit ihr der Adler zum Leben erwacht. So einfach war es natürlich nicht. Unwillkürlich sah ich durch das Kristallglasdach, um zu sehen, wie tief die Sonne schon stand. Sie war wohl gerade erst aufgegangen, da der Himmel noch immer von dem Blassrosa des Sonnenaufgangs geprägt war. Mühselig kämpfte ich mich auf meine steifen Beine. Auf einer Art Treppe zu schlafen, war ganz eindeutig keine gute Variante zu einem Bett. Mit schmerzenden Muskeln stieg ich die wenigen Stufen hinauf zu der goldenen Löwenstatue. Sie war wieder nicht mehr, als eine aus Gold gefertigte Statue. Ihre Augen waren stur und leblos auf den Adler gerichtet.
»Ich versteh das nicht«, grummelte ich frustriert vor mich hin.
»Was genau?«, fragte Craig und trat mit wenigen Schritten neben mich. Meine Hand ruhte auf dem muskulösen Schulterblatt des
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