Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
Seelenjäger und Seelensammler in das warme Licht des letzten Herbsttages. Alle Hoffnung, die ich vor wenigen Sekunden noch gehabt hatte, stürzte in sich zusammen.
»Wenn du nicht möchtest, dass die beiden sterben, ohne jede Aussicht auf ein neues Leben oder auf eine Wiedervereinigung mit ihren Körpern, dann trittst du von dem Seelentropfen zurück. Wir müssen nur eines unserer Messer in jedes Herz stoßen und du verlierst alles.«
Der Mann, der sprach, war ohne Zweifel der Anführer. Er war hochgewachsen und stämmig. Sein Gesicht war übersät mit einem groben Bartwuchs. Er war muskulös. Seine Muskeln zeichneten sich deutlich unter dem sandfarbenen Hemd ab, dass er über einer schwarzen Stoffhose trug. Um seinen Hals hing eine Kette. Seine großen fleischigen Hände hielten ein gefährlich blitzendes Messer nur wenige Zentimeter über Keiras Herz. Wie um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, ließ er das Messer weiter auf Keiras Brust sinken. Ohne ihren Körper würde ich Keira nicht retten können. Dann wäre sie für immer verdammt diese unerträglichen Schmerzen zu ertragen und über eine Welt zu wandern, die mehr tot war als lebendig.
»Nicht!«, rief ich, als ich endlich meine Stimme wiederfand. Das hier war der schlimmste Albtraum, den ich seit dem Beginn meiner Reise hatte. Der Mann grinste mich höhnisch an.
»Wir können ihnen noch mehr antun.«
Er winkte einen der Seelensammler heran. Ein dünner schlaksiger Kerl, der so unscheinbar war, dass ich ihn fast übersehen hätte, wäre er nicht auf das Zeichen hin aus dem Schatten getreten. Er fummelte einen Moment an seinem Gürtel herum und zog dann mit einer ungeschickten Bewegung einen Gealen hervor. Er richtete ihn auf Keira. Ein Schrei erstickte in meiner Brust, als neben Keiras Körper ein silbrig-blauer Schimmer immer stärker wurde und schließlich Keiras Seelengeist bekam.
»Wir können Seelen nicht nur fangen, wir können sie auch für immer zerstören. Du siehst also, dass du nicht viele Möglichkeiten hast, wenn du deine Freunde retten willst. Ich sag es noch einmal: Geh von dem Seelentropfen weg.«
Ich sah den Mann nicht an. Alles, was ich noch wahrnahm, war das Gesicht meiner besten Freundin. Ihre eigentlich braun-grünen Augen waren auf mich gerichtet. Der Schmerz in ihnen ließ mich meinen nur noch stärker empfinden.
»Keira…«, formte ich stumm mit den Lippen. Eine Träne sickerte aus meinen Augenwinkeln und rollte über meine silbrige Wange. Die schlaksige unansehnliche Gestalt, die kaum als Mann durchgehen konnte, richtete den Gealen genau auf Keira. Ich wusste nicht, ob die Behauptung stimmte. Ob sie ihre Seele wirklich für immer vernichten konnten. Riskieren wollte ich es nicht. Ich hatte das Versprechen gegeben sie zu retten, nicht sie zu vernichten.
»Geh zurück und deiner Freundin wird nichts geschehen«, erklang erneut die Stimme des stämmigen Mannes. Nur widerstrebend löste ich meine Augen von Keira und richtete sie auf ein anderes Augenpaar. Er hatte keinen Namen genannt, aber ich dachte, dass es sicher etwas wie Hektor oder Wolfram sein musste. Ein alter Name. Denn genau so wirkte er. Alt. Auch wenn sein Körper vielleicht nicht älter als fünfunddreißig war, zeugten seine Augen von einem ganz anderen Alter. Sie strahlten etwas Langlebiges aus. Aber nicht auf die Weise wie Realdin oder Sebilia. Seine Langlebigkeit war von böser, sogar schon grauenhafter Natur. Sie war nicht natürlich. Ich stand nicht irgendeinem Seelenjäger gegenüber. Dieser Kerl war einer der Anführer. Ein verdrehter Gläubiger an den ewigen Tod, der das Leben ersetzen sollte.
»Du bist kein Jäger«, sagte ich stumpf, als würde das ihn entwaffnen. Als könnte ich so die Seelen meiner Freunde retten.
»Und du bist gar nicht so dumm, also geh von der Kugel weg!«
Es war nicht zu überhören, dass seine Geduld nicht mehr lange anhielt. Ich musste nicht in die Seelensicht wechseln, denn ich war eine Seele. Ich war umzingelt von roten Punkten, die sich immer wieder ein wenig im Ton unterschieden. Dennoch glich kein Rot dem, das ich in seiner Brust sah. Es war das Rot von unschuldig vergossenem Blut. Es war nicht auf sein Herz beschränkt. Es verlief über seinen ganzen Körper und verlor nicht das kleinste bisschen seiner Intensität. Wenn Seelenjäger schon keine richtigen Menschen mehr waren, dann war dieser Kerl es erst recht nicht mehr. Ich wollte eigentlich gar nicht wissen, was genau er war. Ich wollte nur, dass dieser Albtraum
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