Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
Zeitraum von nur einer oder zwei Generationen, veränderte sich alles, und sie fanden sich als bezahlte Diener auf Pavanes großem Landgut oder in einem seiner Geschäfte wieder. Sie konnten nichts dagegen unternehmen, weil er zu dieser Zeit bereits das gesamte Dorf besaß.«
»Und du glaubst, diese … Schicksalswende lag nur an einem verlorenen Anhänger?«
»An einem verlorenen Talisman «, korrigierte Gran sie. »Auch wenn es Pavane nicht möglich war, seine wahre Macht anzuzapfen, hat der Verlust das Schicksal verändert, und Pavane hat sich das zunutze gemacht. Erst Jahre später, als er so viel Reichtum und Macht gesammelt hatte, wie sich ein Mann im Leben nur wünschen konnte, wurde er als Nekromant bekannt, der die dunkelste Magie anrief, um anderen seinen Willen aufzuzwingen.«
Sie streckte die Hand aus und wartete darauf, dass Eve ihr den Anhänger zurückgab. »Dieser Talisman ist unser Erbe. Er trägt die Weisheit und Macht jeder Frau, die ihn je besessen hat. Und er ist unsere Zukunft, eine Verbindung zu einer Magie, die reiner und mächtiger ist als alles andere in diesen Gefilden – eine Verbindung zur göttlichen Magie des Immerreichs. Deshalb wollte Pavane ihn unbedingt haben, und deshalb konnten Leute wie er ihn niemals selbst einsetzen.«
Eve biss sich auf die Unterlippe, weil sie sich nicht sicher war, was sie sagen sollte. Sie wollte nicht sagen: »Das klingt verrückt«, auch wenn es so war. Es war schwer zu glauben, dass ein einfaches Schmuckstück solche Macht enthalten sollte, aber das Glitzern in den Augen ihrer Großmutter und die Art, wie sie ihr Kinn nach vorne schob, stellte klar, dass sie es glaubte. Und das bedeutete viel für Eve. Sie mochte die Magie ja aufgegeben haben, aber Gran vertraute sie immer noch.
Davon abgesehen: Wer war sie, das beurteilen zu wollen? Sie war sich ja nicht einmal sicher, was genau ein Talisman war. Sicher, sie hatte das Wort schon gehört, aber sie verstand die wahre Bedeutung nur im weitesten Sinne. Und sie war sich nicht einmal im Klaren darüber, ob sie mehr wissen wollte.
Sie mochte ihr Leben, wie es war. Es war nicht perfekt, aber nichts daran war so schlimm, dass es einen uralten Glücksbringer brauchte, um es in Ordnung zu bringen. Wenn er überhaupt Glück brachte. In ihren Augen war das der größte Nachteil daran, ein Spiel ohne Regeln zu spielen: Es gab keine Regeln.
Sie mochte Regeln. Und sie war gut darin, sie zu befolgen. Sie mochte es, dass mit Regeln auch Konsequenzen einhergingen. Wenn man sich also entschloss, eine Regel zu brechen, wusste man sofort, was einen dafür erwartete. Zum Beispiel ging man nicht eines Abends mit der Überzeugung ins Bett, die Welt zu kennen, nur um am nächsten Morgen aufzuwachen und festzustellen, dass die Welt zerbrochen und verkehrt war und dass Teile davon fehlten. Wichtige Teile, die man niemals zurückbekommen oder ersetzen oder vergessen konnte.
Deshalb wollte sie nicht mehr über den Talisman erfahren.
Deshalb wollte sie nicht, dass ihr Herz schneller schlug, wenn Gran von Macht und Blut und Verwandtschaft sprach. Deshalb wollte sie keine Welle von Erregung und etwas anderem – Stolz – spüren, als sie begriff, dass ihre Vorfahren sich schon lange bevor es schriftliche Aufzeichnungen darüber gab, gegen die Dunkelheit gestellt hatten.
Und am wenigsten wollte sie diese warme, drängende Energie in sich und um sich herum fühlen, wenn sie den Anhänger in der Hand hielt.
Das Problem war, dass diese Wünsche weniger wichtig erschienen, wenn sie den Ausdruck der Begeisterung auf dem Gesicht ihrer Großmutter betrachtete und die aufgeregte Melodie in ihrer Stimme hörte. Sie erinnerte sich an beides aus der Zeit, als Gran ihr dabei geholfen hatte, den Winterrosenzauber zu meistern.
Ich dachte damals, dass für so viele Dinge noch genug Zeit sein würde, und dann gab es diese Zeit nicht mehr.
Sie sagte sich, dass es nicht schaden konnte zuzuhören, streckte den Arm aus und legte ihre Hand auf die von Gran. Die Haut der alten Frau war runzlig, aber gleichzeitig glatt und warm.
Ihre Augen trafen sich, und Eve lächelte.
»Jetzt haben wir Zeit, Gran«, sagte sie. »Erzählst du mir davon?«
Ihre Großmutter nickte, und ihre Mundwinkel hoben sich. Sie hielt kurz inne, um ihre Gedanken zu sammeln, dann fing sie an zu sprechen. »Der Anhänger war ein Geschenk der Göttin Danu an die T’airna-Frauen«, erklärte sie.
Die Göttin Danu. Unglaublicherweise hatte sie dieser eine Satz in Mauras
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