Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
Fall einen Anhänger. Glaubst du wirklich, es könnte derselbe sein?«
»Ich war mir noch nie in meinem Leben einer Sache so sicher.«
Gran saß vor ihr und hielt die goldene Sanduhr in den Händen, als wäre sie der wertvollste und zerbrechlichste aller Reichtümer. Sanft legte sie die Hände darum und schloss die Augen.
»Ich kann es fühlen«, sagte sie leise. »Sie ist so warm.« Sie öffnete die Augen wieder und sah Eve scharf an. »Du musst es auch gespürt haben.«
Als Eve zögerte, griff Gran nach ihrer Hand und legte ihr den Anhänger auf die Handfläche. Dann bedeckte sie ihn mit ihrer eigenen Hand.
»Schließ die Augen«, befahl sie. »Schließ die Augen und fühle.«
Eve schloss die Augen. »Ich bin mir nicht sicher, was ich fühlen soll.«
»Macht. Blut. Verwandtschaft.« Grans Stimme war stark, die Stimme einer Matriarchin. »Aber du kämpfst dagegen an. Schau nur, wie steif du dich hältst. Hör mir zu, Eve. Das ist nicht einfach ein Anhänger. Das ist der verlorene T’airna-Talisman … unser Talisman. Da bin ich mir so sicher, wie ich mir sicher bin, dass heute Morgen die Sonne aufgegangen ist.«
Sie zog ihre Hand zurück und ließ den Anhänger bei Eve.
»Der verlorene T’airna-Talisman?« Eve wiederholte ihre Worte langsam, als kämen sie aus einer Sprache, die sie noch nie gehört hatte, was in gewisser Weise auch stimmte. »Wie kommt es, dass ich noch nie etwas von einem verlorenen Familien-Talisman gehört habe?«
»Ich nehme an, weil ich, als du jung warst, mein Bestes getan habe, mich den Wünschen deiner Eltern zu beugen, was Magie anging. Habe ich wirklich«, beharrte sie, als Eve ihr einen schiefen Blick zuwarf. »Das war mein Bestes. Außerdem dachte ich immer, später wäre noch genug Zeit, dir alles zu erzählen. Wenn du älter bist. Ich dachte damals, dass für so viele Dinge noch genug Zeit sein würde, und dann … dann gab es diese Zeit nicht mehr.«
Eve nickte, weil sie verstand. »Wie lang genau war er verloren?«
»Jahrhunderte. Er verschwand, kurz nachdem dieses Porträt von Maura gemalt wurde, gestohlen von dem Mann, den sie später geheiratet hat. Man hat den Talisman niemals wieder gesehen. Zumindest vermutete die Familie, dass er ihn gestohlen hatte, und dass er es war, der den Tod der armen Maura nur wenige Monate nach ihrer Heirat verschuldete. Nichts davon wurde je bewiesen. Phineas Pavane war aalglatt, und wenn er wollte, konnte er sehr charmant sein.
Man sagte, Maura, die ein ziemlicher Hohlkopf war, hätte ihm von dem Talisman erzählt. Wer weiß, womit sie angegeben hat, um einen Verehrer zu beeindrucken. Auf jeden Fall war Maura ein dummes kleines Ding mit wenig eigener Macht und überhaupt keinem Interesse, zu lernen, wie sie mit dem Bisschen umgehen sollte. Falls Pavane sie geheiratet hat, weil er dachte, sie wäre der Schlüssel zur Macht des Talismans, dann hat er wohl bald das Gegenteil herausgefunden und keinen Nutzen mehr in ihr gesehen.«
»Also hat er sie umgebracht? Wie furchtbar.«
»In der Tat, für die arme Maura und alle von uns, die nach ihr kamen. Als der Talisman verschwand, veränderte sich alles. Das Vermögen und die Macht der T’airnas schwanden dahin.«
Grans Miene wurde hart. Ihre scharfen blauen Augen waren auf einen Punkt hinter Eves Schulter gerichtet, aber Eve ging davon aus, dass das, was sie gerade sah, mehrere Lebzeiten entfernt und auf der anderen Seite des Meeres lag.
»Die T’airnas waren einst der Stolz von Glengara. Sie wurden von ihren Nachbarn geschätzt und das aus gutem Grund. Es gab niemanden, der sie nicht schon um Hilfe gebeten hätte, und immer wurde ihnen geholfen. Ob es um ein Heilmittel für ein krankes Kind oder einen Zauber zur Rettung der Ernte ging, in Notzeiten konnte man sich immer auf sie verlassen. Und es gab auch noch andere Dinge, um die sie sich kümmerten, Angelegenheiten von Leben und Tod, für die ihre Nachbarn ihnen niemals dankten, weil sie niemals davon erfuhren. Es wurde ihnen erspart, es zu erfahren, weil die T’airnas zu jenen gehörten, die gegen die Dunkelheit Wache standen.«
Gegen die Dunkelheit Wache standen … Die Worte entzündeten Eves Phantasie und weckten ihre Neugier. Ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken.
»Unser Erbe ist eine stolze Tradition von Pflicht und Schicksal«, erklärte Gran ihr. »Seit Anbeginn der Zeit haben Zauberinnen aus dem Haus T’airna das Leben der Menschen verbessert und sicherer gemacht, wie niemand sonst es konnte. Und dann, im
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