Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
ältere Männer mit jungen Frauen zusammen sind. Es ist nur fair, den Spieß auch mal umzudrehen. Hey, wäre das nicht mal ein tolles Thema für meine Show? Ich kann bereits hören, wie die Telefone Sturm läuten. Du könntest mein Stargast sein!«
Eve verzog bei der Vorstellung das Gesicht. »Was ich sagen wollte, ist, dass sein Alter keine Rolle spielt, weil diese … Sache nichts Großes ist. Wirklich. Eigentlich gibt es gar keine Sache. Er ist nur jemand, den ich gestern bei der Auktion getroffen habe.«
»Ich wusste es«, tönte Jenna. »Als Diana ihn mir beschrieben hat, wusste ich, dass es der sexy Kerl sein muss, der dich letzte Nacht abgecheckt hat. Ich wollte es dir noch sagen, aber du bist so schnell abgehauen, dass ich keine Zeit mehr hatte. Und wo wir gerade davon sprechen, ich will immer noch wissen, was es mit dir und dieser Kette auf sich hat. O Gott, das war eine Menge Geld! Und als ich gesehen habe, wie er dir nach draußen folgte, dachte ich mir, hmmmm. Und jetzt taucht er mit hundertachtzig Rosen auf. Verdammt, Eve.«
»Wie ich schon gesagt habe, keine große Sache.«
»Wenn du meinst.«
Eve konnte das Grinsen in der Stimme ihrer Freundin hören. »Ich schaue in meinen Terminkalender und melde mich wegen des Mittagessens bei dir. Bitte lass deine Phantasie in der Zwischenzeit nicht Amok laufen.«
»Tut mir leid, meine Phantasie lebt im Amokzustand. Und was das Mittagessen angeht, je eher, desto besser.«
»Ich tue, was ich kann.« Eve zögerte, bevor sie sich verabschiedete. »Hey, Jenna, du kannst Menschen doch ganz gut einschätzen. Würdest du mich als verklemmt und intellektuell bezeichnen? Sei ehrlich.«
»Intellektuell im Sinne von klug und einfühlsam? Ja, das bist du definitiv. Was verklemmt angeht, also … verklemmt ist so ein hartes Wort, voller negativer Schwingungen. Aber wenn du es eher als vorsichtig und sehr organisiert definierst, dann nehme ich an, dass manche Leute dich ein winziges bisschen verklemmt finden … natürlich auf charmante Weise«, fügte sie schnell hinzu.
»Charmant verklemmt«, murmelte Eve. »Wunderbar. Ich muss jetzt los.«
»Mittagessen. Bald. Vergiss es nicht.«
***
Im Sender war das geräumige Büro der Chefredakteurin als ›das Aquarium‹ bekannt. Große Fenster ermöglichten den Blick über das Geschäftsviertel im Zentrum von Providence, und eine Glaswand gab den Blick auf die Reaktion frei, wo das Arbeitstempo zwischen hektisch und panisch schwankte, je nachdem, wie lang es noch bis zur Sendung war. Telefone klingelten, im Hintergrund lief der Polizeifunk, Drucker spuckten endlose Ströme von Papier aus, und überall hingen Bildschirme, auf denen die lokale und nationale Konkurrenz lief.
Innerhalb des Aquariums hingen weitere Monitore, ein halbes Dutzend davon, in einer Reihe unter der Decke. Im Moment waren sie alle auf stumm geschaltet, aber Angela musterte sie in regelmäßigen Abständen, und Eve wusste, wenn irgendwo etwas explodierte, vom Himmel fiel oder irgendwer in der Welt einen Krieg erklärte, würde ihre Chefin sofort den Ton anschalten und einen Augenblick später einen Reporter auf die Story angesetzt haben.
Angela war eine Meisterin der Fernsehnachrichten. Die durchschnittliche Amtszeit eines Chefredakteurs in einem mittelgroßen Markt lag bei achtzehn Monaten. Angela war schon seit gut drei Jahren bei WWRÍ und alles lief immer noch glänzend. Ihre Ankunft war mit einer Handgranate im Studio vergleichbar gewesen. Mit der Unterstützung des Managements hatte sie das existierende Sendeschema über den Haufen geworfen und sich auf die Stärken des Senders konzentriert, indem sie lokale Nachrichten brachte. Sie hatte sich den Konventionen widersetzt und Relikte abgeschafft, etwa zur besten Sendezeit einen Teaser mit einer Top-News zu senden und die Zuschauer dann mit ›Mehr Informationen um elf‹ abzuspeisen. Angela hatte wenig mit dem durchschnittlichen Zuschauer gemein, aber sie war gerissen genug, um die breite Masse einzufangen. Sie verstand, was sie interessierte und was sie wütend machte, und anhand dieser Erkenntnisse handelte sie.
Zu Anfang hatten sie und Eve sich vorsichtig beäugt. Eve wollte nicht, dass die neue Chefin versuchte, ihr die Flügel zu stutzen, und die neue Chefin wollte nicht, dass Eve dachte, ihre lange Zeit beim Sender gäbe ihr das Recht, sich auf die faule Haut zu legen. Aber es dauerte nicht lange, bis sie sich als verwandte Seelen erkannt hatten. Beide waren ehrgeizig, bereit, alles zu
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