Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
abgenommen?«, fragte Angela.
»Nächste Woche. Sie will mich dabeihaben. Als moralische Unterstützung.«
In Angelas dunklen Augen erschien ein Funkeln. »Irgendeine Chance, dass du eine Kamera mitbringen darfst?«
»Das werde ich nicht mal fragen.«
Ihre Chefin zuckte mit den Achseln. »War ja nur eine Idee.«
Wenn Schneewittchen eine böse Zwillingsschwester gehabt hätte, dachte Eve manchmal, dann wäre es Angela. Sie hatte das richtige Aussehen – lockiges schwarzes Haar, eine Haut wie Porzellan und rote Lippen – und, zumindest wenn es ums Geschäft ging, ein Herz aus reinem, berechnendem Eis. Sie hatte all das bestmöglich eingesetzt, um auf einem Parkett, das immer noch überwiegend von Männern dominiert war, so weit wie möglich zu kommen. Angela tat nicht so, als wäre sie einer von den Jungs. Im Gegenteil. Genau wie Eve erledigte sie Dinge lieber auf ihre Art. In Angelas Fall hieß das, ihre Weiblichkeit einzusetzen wie jede andere zur Verfügung stehende Waffe – skrupellos und mit ganz eigenem Stil. Sie kleidete sich für den täglichen Kampf in Kostüme in Mädchenfarben, Himbeer und Lavendel und Zitronengelb, mit taillierten Jacketts und kurzen, glatten Röcken. Dabei zeigte sie eine Figur, um die jüngere Frauen sie beneideten. Sie zeigte auch mal ein wenig Dekolleté … und trug niemals bequeme Schuhe. Bequemlichkeit, ihre eigene und die von anderen, rangierte auf Angelas Prioritätenliste nicht besonders weit oben.
»Wir brauchen sowieso nichts Reißerisches, um diese Geschichte zu tragen«, versicherte sie Eve. »Die letzten Einschaltquoten zeigen, dass es immer noch das Interesse der Leute fesselt. Ich will ja nicht … herzlos klingen, aber wir haben wirklich Glück, dass die Sendetermine sich um den Jahrestag gruppieren. Wir werden es in der Woche davor schon anteasern – aber geschmackvoll. Mit etwas Glück haben wir bei den letzten paar Sendungen über vierzig.«
Über vierzig bedeutete, dass vierzig Prozent der Haushalte im Sendebereich einschalteten. Vor einiger Zeit waren solche Quoten noch regelmäßig erreicht worden, aber mit der Konkurrenz von Kabelfernsehen und Internetseiten – inklusive ihrer eigenen – waren solche Einschaltquoten heutzutage wie ein Sieg beim Grand Slam. Das machte Angelas Vertrauen in sie noch bedeutsamer, und Eve nahm sich vor, darauf zurückzukommen, wenn die nächsten Gehaltsverhandlungen anstanden.
»Erzähl mir mehr von dieser anderen Idee«, sagte Angela. »Was haben Haustiere mit Finanzen und Zwangsvollstreckungen zu tun?«
»Haustiere kosten Geld. Wenn man seinen Job verliert und die Kosten auf ein Minimum reduzieren muss, müssen manchmal auch die Haustiere weg. Oder wenn eine Familie ihr Haus verliert und für eine Weile bei Verwandten unterkommen muss, ist der Familienhund oder die Katze oft nicht willkommen, und so enden sie im Tierheim. Ein freiwilliger Helfer in einem dieser Heime hat mich darauf gebracht. Ich habe mal bei anderen Tierheimen angerufen, und es ist immer wieder dasselbe. Sie sind alle an der Kapazitätsgrenze – oder bereits völlig überfüllt –, und täglich kommen neue Tiere.«
»Und dann müssen sie …« Angela zog einen Finger quer über die Kehle.
Eve nickte grimmig. »Irgendwann schon. Aber die meisten versuchen, es so lange wie möglich hinauszuzögern, um den Besitzern die Chance zu geben, ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und ihre Tiere wieder abzuholen. Es ist herzzerreißend – das sind keine Streuner mit Parasiten und Krankheiten ohne eine echte Chance auf Vermittlung. Wir reden hier von Familienmitgliedern.«
»Als ich ein Kind war, hatten wir einen kleinen schwarzen Pudel«, erinnerte Angela sich. »Mitzi. Sie ist dem Postboten so oft hinterhergejagt, dass die Post uns angedroht hat, keine Briefe mehr zu bringen, wenn wir sie nicht unter Kontrolle bekommen, und immer wenn es gedonnert hat, wurde sie panisch und hat mir auf die Füße gekotzt.« Sie seufzte, mit einer Gefühlstiefe in den Augen, die Eve noch selten bei ihr gesehen hatte. »Sie war ein echter Satansbraten, aber trotzdem hätte ich es nicht ausgehalten, wenn wir sie hätten weggeben müssen.«
Eve nickte. »Manche Tierheime haben ein Pflegeprogramm gestartet und suchen Freiwillige, die vorübergehend ein oder zwei Tiere aufnehmen, um die Überfüllung der Heime zu lindern. Im besten Fall wird das Haustier nach einer Weile von seinen Besitzern abgeholt. Im schlimmsten Fall bekommen sie zumindest ein paar weitere
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