Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
Arbeitszeiten nicht und …«
»Er arbeitet? Geht er nicht in die Schule?«
»Er arbeitet nach der Schule«, informierte Rory Eve in dem Tonfall, der normalerweise für ganz Junge, ganz Alte oder Schwachsinnige reserviert war. »Ich wollte anrufen und eine Nachricht hinterlassen, sobald ich genau wusste, was ich unternehmen würde, aber irgendwie habe ich es vergessen.«
Eve bezweifelte nicht, dass sie es wirklich vorgehabt hatte. Rory war normalerweise sehr pflichtbewusst – und Eve geriet normalerweise nicht so schnell in Panik.
»Okay. Das nächste Mal machst du dir einen Knoten ins Taschentuch oder schreibst dir eine Erinnerung auf die Handfläche. Ich bin zu alt, um rumzurennen und Colt Seavers zu spielen.«
»Besonders, wenn es schon mitten in der Nacht ist«, stichelte Rory.
Eve verdrehte die Augen. »So respektlos.«
»Es tut mir wirklich, wirklich leid, dass du dir Sorgen gemacht hast. Das nächste Mal denke ich daran anzurufen. Ehrenwort!« Sie hielt zwei Finger hoch. »Irgendwie war ich den ganzen Tag in Gedanken, weil ich mich gefragt habe, ob der Talisman wohl funktioniert und wie ich ihn gegen Tobys Herz drücken soll, ohne dass er mich für vollkommen bescheuert hält.«
»Wie hast du es angestellt?«
Auf Rorys Gesicht erschien ein selbstgefälliges Lächeln. »Die Idee ist mir in Englisch gekommen. Wir lesen gerade Emily Bronte, und auf dem Bild im Buch trägt sie eine Brosche. Da ging mir ein Licht auf! Ich habe die Sanduhr von der Kette genommen und mir vorne an den Pullover gesteckt.« Sie zeigte auf eine Stelle direkt unter der rechten Schulter. »Und als er mich dann geküsst hat …«
»Er hat dich geküsst?«
»Ja. War keine große Sache. Ich habe so sehr darauf geachtet, dass wir uns berührten, dass ich den Großteil davon verpasst habe. Aber ich erinnere mich daran, dass unsere Zähne aneinandergestoßen sind. Dann war es auch schon vorbei.«
»Und was ist passiert?«
Rory zuckte mit den Achseln. »Nichts. Er hat einfach aufgehört. Ich glaube, er musste atmen.«
»Und mit dem Anhänger?«
»Oh. Da ist auch nichts passiert. Keine glühenden Kristalle. Kein Rot.« Sie klang geknickt. »Ich weiß nicht, ob das bedeutet, dass Gran unrecht hatte oder dass Toby nicht meine wahre Liebe ist.«
Eve wollte ausrufen: »Du bist erst fünfzehn! Natürlich ist er nicht deine einzig wahre Liebe!« Aber dann erinnerte sie sich daran, wie es war, fünfzehn zu sein.
»Hmmm. Da bin ich mir auch nicht sicher. Wolltest du, dass er es ist?«
»Eigentlich nicht.« Ihr gleichgültiger Tonfall überraschte Eve. »Ich brauche nur eine Kontrollgruppe wie in einem wissenschaftlichen Experiment. Das wird nicht einfach, weil ich niemanden kenne, der wirklich seinen Seelengefährten gefunden hat … besonders nicht in unserer Familie.«
Eve bemühte sich immer noch, das zu verstehen. »Also bist du nicht in ihn verliebt?«
»Gott, nein. Ich meine, wahrscheinlich könnte ich mich verlieben, irgendwann, wenn ich mich anstrenge. Ich mag Toby. Er ist superklug und potenziell cool, aber richtig cool kann er erst werden, wenn er die Spange los ist.«
»Warum hast du dir dann die ganze Mühe mit dem Anhänger gemacht, wenn es hier nur um einen Fall von vielleicht irgendwann eventuell geht?«
»Um ihn auszuschließen«, antwortete sie, als wäre die Antwort völlig offensichtlich. »Ich habe lange darüber nachgedacht und …«
»Lange darüber nachgedacht? Du meinst in den ungefähr achtzehn Stunden, seitdem du weißt, dass es den Talisman gibt?«
»So kompliziert ist es nicht. Ich habe mich für ein Ausschlussverfahren entschieden: Die effektivste Verwendung des Talismans besteht darin, Jungs gleich ganz am Anfang auszusortieren. Natürlich nicht jeden, den ich treffe. Das wäre zu zeitintensiv, ganz abgesehen davon, dass es auch unangenehm wäre«, fügte sie mit einem leisen Lachen hinzu. »Nur wahrscheinliche Kandidaten, wie Toby. Auf diese Weise fällt man nicht auf einen Trottel nach dem anderen rein und lässt sich wieder und wieder das Herz brechen. Man verliebt sich einfach nicht, bis man sicher ist, dass man den Richtigen hat. Macht Sinn, findest du nicht?«
Eve wollte ihr sagen, dass es überhaupt keinen Sinn ergab, dass es eine verrückte und fehlgeleitete Idee war. Sie wollte ihr sagen, dass Liebe nicht mit Garantie geliefert wurde, dass Liebe ein Geschenk war und man Geschenke nicht nur unter der Bedingung annahm, dass man sie vorher aufmachen und begutachten durfte. Das wollte sie
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