Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
Gran behauptet?«
»Ganz einfach«, sagte Rory. »Mit Magie.«
Ihr nüchterner Tonfall brachte die Alarmglocken in Eves Kopf zum Schrillen. Aber sie hatte keine Zeit mehr, eine wasserdichte Antwort zu finden – wobei wasserdicht in diesem Fall bedeutete, herauszufinden, wie viel Rory wusste, ohne selbst etwas preiszugeben –, bevor sie in ihre Einfahrt einbog.
Grans Auto stand an der üblichen Stelle.
»Oh, gut!«, rief Rory und öffnete gleichzeitig ihren Sicherheitsgurt und die Tür. »Gran ist zu Hause.«
»Perfekt«, murmelte Eve und versuchte nicht einmal, ihre Nichte einzuholen, die ins Haus stürmte. Sie selbst hatte es nicht eilig, hineinzugehen.
Sie blickte sich nach ihrer Tasche um, erinnerte sich daran, dass sie ohne sie aus dem Haus gelaufen war, und blieb einfach mit der Hand am Türgriff sitzen. Und dachte nach.
Vielleicht war es tatsächlich gut, dass Gran zu Hause war. Was immer Rory belauscht hatte, es konnte nicht rückgängig gemacht werden. Sie würden damit umgehen müssen. Rory würde Fragen stellen und Antworten verlangen. Und Eve beschloss, dass sie sie auch bekommen sollte. Es war eine Sache, jemandem zum eigenen Schutz die Wahrheit vorzuenthalten und eine völlig andere, jemandem in die Augen zu sehen und ihn anzulügen. Das konnte sie nicht … vor allem deshalb nicht, weil Gran da war, und sie würde mit Sicherheit ehrlich sein.
Vielleicht hatte sie sich in die eigene Tasche gelogen, als sie dachte, dass sie die Leiche für immer im Keller verbergen konnte. Sie wünschte sich nur, es wäre zu einer anderen Zeit ans Licht gekommen, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, gegen Gabriel Hazard zu kämpfen. Und gegen sich selbst.
Gegen Hazard, weil er nicht aufhören würde, den Anhänger zu jagen. Gegen sich selbst, weil sie sich gar nicht sicher war, ob sie wollte, dass er aufhörte. Zumindest nicht sofort. Und auch, weil sie seinetwegen absichtlich Magie eingesetzt hatte und es nicht vollkommen widerwärtig fand.
Zu fühlen, wie diese Macht in ihr zum Leben erwachte, war unglaublich gewesen. Zu fühlen, wie sie durch ihre Adern rauschte, war aufregend und gleichzeitig beängstigend. Und gerade deswegen so beängstigend, weil es so aufregend war. Es hatte sich gut angefühlt. Und richtig.
Ein paar Minuten später öffnete sie die Haustür, und sofort stieg ihr der Duft von Grans speziellem Irish Stew in die Nase. Es war die ultimative Seelennahrung, die Art von Eintopf, der schon am Vormittag vorbereitet wurde und dann stundenlang auf kleiner Flamme vor sich hin köcheln musste, damit sich die verschiedenen Aromen verbanden. Eve war sich sicher, dass sie solche Vorbereitungen weder gesehen noch gerochen hatte, als sie am Abend nach Hause gekommen war, und doch stand nun ein großer Emailletopf voll dampfender Hausmannskost auf dem Herd. Wie er dort hingekommen war, war der ›geheime‹ Teil von Grans Geheimrezept.
Der Tisch war mit dunkelblauen Sets gedeckt, auf denen große weiße Schüsseln standen. In der Mitte stand ein silberner Korb mit frischgebackenen Brötchen.
»Riecht es nicht toll hier?«, fragte Rory. »Ich bin am Verhungern.«
»Ich auch.« Eve ging plötzlich auf, dass es stimmte, und dass es vielleicht besser war, noch eine Weile zu warten und das Gespräch mit vollem Magen zu führen. Falls Gran nicht darauf bestand, sofort Antworten und Erklärungen zu bekommen. Schließlich war sie nach Hause gekommen und hatte feststellen müssen, dass der Anhänger, Rory und Eve verschwunden waren.
Ihre Großmutter stocherte ein letztes Mal in dem Feuer, das im Kamin zwischen Küche und Esszimmer brannte, und drehte sich um. Aber statt eine Salve von Fragen abzuschießen, lächelte sie Eve nur freundlich an.
»Das hört ein Koch gerne. Setzt euch, dann können wir essen.«
Gran griff nach dem Löffel, aber Rory war schneller.
»Setz dich«, erklärte Rory ihr bestimmt. »Ich serviere.«
»Das wäre wunderbar.« Gran setzte sich und legte sich die Serviette auf den Schoß.
Eve folgte ihrem Beispiel und beäugte ihre Großmutter neugierig. War es möglich, dass Gran nicht gemerkt hatte, dass der Anhänger fehlte? Und einfach davon ausgegangen war, dass Rory und sie heute ohne Erklärung später kamen?
Gott, nein. Was dachte sie sich. Gran musste nichts bemerken … sie hätte es einfach gewusst. Aber sie war freundlich genug, sie erst essen zu lassen. Als schließlich die Teller abgeräumt und die Teetassen gefüllt waren, richtete sie einen strengen Blick
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