Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich habe eine Menge aufzuholen und muss viel planen. Und außerdem möchte ich mir die Vorfreude auf dein grausames Ende so lang wie möglich bewahren.«
Als er sich zur Tür umdrehte, trat ihm Eve – angetrieben von etwas, das stärker war als gesunder Menschenverstand – in den Weg. Sie nickte in Richtung des Talismans in seiner Hand. »Das gehört mir«, sagte sie wieder.
Er lächelte. »Und du willst es?«
»Ja, das tue ich.«
Er wickelte die Kette mehrmals um seine Finger, dann hielt er die Hand hoch, so dass der Anhänger nach unten hing.
Eve keuchte. Seine Handfläche war rot und qualmte, als hätte er eine Handvoll glühender Kohlen ergriffen und in seiner Haut versenkt. Sie konnte die Hitze selbst aus zwei Metern Entfernung spüren.
»Komm und nimm ihn dir, Zauberin.«
»Tu es nicht, Eve«, befahl Hazard. Er wirkte überhaupt nicht mehr gelangweilt.
Sie zögerte, weil ihre Finger ihm den Anhänger wegreißen wollten, aber gleichzeitig hatte sie Angst davor, so nah an ihn heranzutreten.
»Nein?« Pavane lachte leise und bewegte seine Hand gerade genug, dass der Anhänger hin und her schwang. »Gräme dich nicht. Du wirst deinen kostbaren Talisman wiedersehen. Du wirst uns beide wiedersehen. Und zwar bald. Das verspreche ich dir.«
Und mit derselben überraschenden Schnelligkeit drängte er sich an ihr vorbei.
»Folge ihm«, knurrte Hazard Taggart an, der bereits unterwegs war. Dann schlug er die Fäuste gegen den Schutzschild und schrie: »Halt. Senk erst diesen verdammten Schild.«
»Kann ich nicht«, sagte Taggart mit einem ungeduldigen Nicken in Eves Richtung. »Es ist ihr Werk. Nur sie kann ihn entfernen.«
Er war verschwunden, bevor seine Worte verklungen waren, und Hazard richtete seinen frustrierten Blick auf Eve. »Tu es. Jetzt.«
Ihr gefiel sein Tonfall nicht, hielt den Moment aber nicht für passend, das anzumerken. Weil sie sich nicht ganz sicher war, wie sie es tun sollte, probierte sie es mit dem Gegenteil dessen, was sie beim ersten Mal gemacht hatte. Sie konzentrierte sich darauf, den Schutzschild verschwinden zu lassen, und es funktionierte.
Sobald er fort war, sprang Hazard nach vorne, und verschwand mit zwei langen Sprüngen aus dem Raum. Als Eve den Flur erreichte, stand er an der offenen Haustür. Obwohl er ihr den Rücken zuwandte, wusste Eve, dass er wütend die Straße entlangstarrte – seine Hände waren zu Fäusten geballt, und er schien an einer unsichtbaren Fessel zu zerren. Nach ein paar Sekunden knallte er die Tür zu und drehte sich um.
Immer noch mit Zorn im Blick.
Er wirkte unberechenbar, und wenn sie selbst ein winziges Bisschen weniger wütend gewesen wäre, hätte Eve sich vielleicht zweimal überlegt, ob dies der richtige Zeitpunkt war, um eine wichtige und wahrscheinlich hitzige Diskussion zu eröffnen.
Aber so, wie sie sich im Moment fühlte, war ihr das vollkommen egal. Sie fühlte sich selbst ziemlich unberechenbar. Tief in ihr kochte eine Mischung aus Wut und Enttäuschung und nackter Panik vor dem, was hätte passieren können.
»Würde es dir etwas ausmachen, mir zu erklären, was gerade geschehen ist?«, fragte sie. Sie duzte ihn aus einem Impuls heraus – genug der Formalitäten.
Er reagierte auf die formlose Ansprache und den kühlen Befehlston ihrer Stimme, indem er eine Augenbraue hochzog. »Warum? Du … du hast dasselbe gesehen wie ich.«
»Ja, aber anscheinend weiß ich nicht alles, was du weißt. Ich tappe nicht gerne im Dunkeln. Und ich werde nicht gerne benutzt.«
Er wirkte so überrascht und verletzt, als hätte sie ihn geschlagen. »Ich habe dich nicht benutzt. Das würde ich niemals tun. Was das Lügen angeht … ich habe dir nur gesagt, was du wissen musst.«
»Du hast mir gesagt, es wäre ein Unglücksfluch. War das eine Lüge?«
Er zuckte mit den Achseln. »Es ist eine Deutung der Wahrheit. Der Fluch hat für mich seit dem ersten Tag nichts bedeutet außer Unglück und Leid.«
»Und welcher Tag war das genau?«
Nach einem kurzen Zögern sagte er: »Der 3. Mai 1828.«
Also war es wahr. Überwältigende, groteske Wahrheit. Und obwohl sie diesen Schluss eigentlich schon gezogen hatte, war es trotzdem erschütternd und mehr als seltsam, es aus seinem Mund zu hören.
»Also hat Pavane die Wahrheit gesagt«, meinte sie. »Über alles.«
»Anscheinend.« Sein Ton war reumütig, doch Eve konnte die Bitterkeit darin hören. »Obwohl ich seine Behauptung überprüfen muss, dass er sich durch
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