Das Amulett des Dschinns
„Im Grunde habe ich die ganze Zeit gewusst, dass dieser Handel nichts wert ist. Zuneigung sollte immer aus freien Stücken da sein. Bekommt man sie nur, weil die andere Person dazu gezwungen wurde, ist sie nichts als eine Lüge.“
„Das hast du aber heute Mittag am Strand noch ganz anders gesehen.“ Prue hob vorwurfsvoll eine Braue. „Du hattest nur Augen für Derek. Mich hast du total links liegen gelassen.“
Der Gedanke daran, wie schäbig sie Prue behandelt hatte, versetzte Lauren einen Stich. Sie senkte den Blick. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich würde gern sagen, dass Tahir auch mich verzaubert hat, aber das ist nicht wahr. Ich war einfach nur völlig verblendet, weil endlich alles wieder so zu werden schien wie früher.“
„Du meinst, als du beliebt warst?“
Lauren nickte. „Irgendwie habe ich immer davon geträumt, wieder dazuzugehören. Auf der einen Seite hasste ich Teri und Kylie, weil sie mich so fertigmachten. Andererseits wäre ich nur allzu gern eine von ihnen gewesen.“
Prue wirkte bedrückt. „Und was war ich für dich? Nur eine Lückenbüßerin, weil sich sonst niemand mit dir abgeben wollte?“ Sie schüttelte den Kopf. „Und ich dachte, wir seien Freundinnen …“ Dann atmete sie tief durch. „Und nun? Wie soll’s jetzt weitergehen? Gehen wir jetzt alle zusammen auf Geisterjagd?“
„Der Schlüssel zu allem ist das Amulett mit dem roten Stein“, erklärte Hamid. „Man nennt ihn auch den Blutstein, weil er eine lange, blutige Geschichte hat …“
10. KAPITEL
Almoraviden-Reich, Nordwestafrika, A. D. 1190
„Wir müssen fliehen“, sagte Hamid. Er hatte sich mit Aaliyah im Stroh eines Stalls niedergelassen, nicht weit vom Haus ihres Vaters entfernt. Sie lag mit dem Kopf auf seiner Schulter und erzählte ihm, was seit seiner Abreise vor knapp sechs Monaten vorgefallen war.
Ihre Erzählungen ließen kalte Wut in ihm aufsteigen. Er hatte gewusst, dass Hicham abd’el Ghazal die Beziehung zwischen ihm und seiner Tochter nicht billigte. Aber dass er so weit gehen würde, sie gleich mit einem anderen Mann zu verheiraten …
Natürlich war genau dies das Schicksal vieler junger Mädchen. Ihre Familien entschieden, welche Verbindungen sie einzugehen hatten. Und in der Regel ging es dabei allein um Geld und Ansehen.
Wenn Aaliyah des Fürsten Weib wurde, dann bedeutete das einen unsagbaren Aufstieg für ihre ganze Familie. Trotzdem hatte Hamid bisher gedacht, Hicham abd’el Ghazal sei anders und habe vor allem das Glück seiner Tochter im Sinn. Doch vermutlich glaubte der alte Mann das sogar. Wahrscheinlich ging er ganz einfach davon aus, dass die Ehe mit Fürst Tahir das größte Glück war, das einer Frau überhaupt widerfahren konnte.
Wie auch immer – weniger als jemals zuvor würde er gestatten, dass Aaliyah ihn, Hamid, heiratete. Und genau deshalb gab es nur eine Lösung: Sie mussten von hier weg und woanders noch einmal von vorn anfangen. An einem Ort, an dem sie niemand kannte.
Aaliyah nickte traurig. „Ich weiß“, sagte sie. „Ich wünschte bloß, es gäbe einen anderen Weg …“
Liebevoll strich Hamid ihr übers Haar. Ihre Schultern bebten leicht, und ihre Tränen drangen durch den dünnen Stoff seines Gewands. Es zerriss ihm schier das Herz, sie so leiden zu sehen. Obwohl ihr Vater über ihren Kopf hinweg über ihr Leben bestimmt und ihre Mutter sich nicht ein einziges Mal auf ihre Seite gestellt hatte, waren und blieben sie doch ihre Eltern. Und Aaliyah liebte sie.
Doch deshalb würde sie noch lange nicht das tun, was sie von ihr verlangten.
Es war bereits kurz vor Sonnenaufgang, als Hamid seine Liebste, die in seinen Armen eingeschlummert war, weckte.
„Wir müssen aufbrechen, mein Herz“, sagte er sanft.
Fragend schaute sie ihn an. „Wohin gehen wir?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Zunächst einmal nach Südosten, tiefer ins Landesinnere hinein. Und dann suchen wir uns einen Ort, an dem wir uns vorstellen können zu leben.“
Sie sagte nichts, doch er sah in ihren Augen, dass die Vorstellung, ohne ein genaues Ziel ihre Heimatstadt zu verlassen, Aaliyah Angst bereitete.
Deshalb schenkte er ihr ein Lächeln. „Fürchte dich nicht, die Welt dort draußen ist längst nicht so fremd und feindselig, wie du denkst. Und solange wir nur zusammen sind, können wir überall glücklich sein, denkst du nicht?“ Dann wurde er ernst und blickte ihr direkt in die Augen. „Oder ist es dein Wunsch, morgen mit
Weitere Kostenlose Bücher