Das Amulett von Gan (German Edition)
dir aber nicht empfehlen«, ermahnte sie Pendo und zeigte grinsend mit dem Finger nach oben, wo sich der weite Himmel azurblau über ihnen erstreckte. Eilig zog sich Chika ihre Kapuze tief übers Gesicht, sodass ihr Umhang in den schillernden Farben des Wassers erstrahlte, und huschte zum anderen Ufer.
Dort angekommen, zogen alle ihre Schuhe wieder an und schauten nun auf einen kleinen Weg, der in einen dichten Wald hineinführte. Die Bäume waren unfassbar breit und hoch, und unten am Boden war der Weg umrahmt von großen Sträuchern. »Lasst uns hineingehen«, drängte Joe, der es wie immer eilig hatte.
Als sie losgingen, schaute Chika noch einmal zurück zum Bach. Ihr war, als ob eine glitzernde Hand aus dem Wasser ragte und ihr zuwinkte. Chika lächelte und hob ihre Hand. Ein leises Plätschern war die Antwort. Obwohl der Wald wirklich finster war und ihr unter anderen Umständen Angst eingeflößt hätte, fühlte sie sich so sicher wie im Schloss der Lichtalben und ging beruhigt hinein. Die Nymphe hatte davon gesprochen, Tiere, Bäume und der Wind würden sie zu ihrem Ziel führen wollen. Das waren starke Verbündete. Chika schaute zu Alon und den anderen. Alle schritten voller Zuversicht durch den Wald. Sie empfanden wohl ganz ähnlich wie sie.
Der Weg, den die Nymphe ihnen gewiesen hatte, stellte sich als ein knorriger Pfad heraus, dem man es anmerkte, dass er seit ewigen Zeiten nicht mehr betreten worden war. Vorsichtig setztensie einen Fuß vor den anderen. Weit über ihnen spannten die majestätischen Baumkronen ein dichtes Dach. Selbst Alon war beeindruckt von ihrer Größe.
»Ich habe ja schon einige große Bäume gesehen, aber die hier übertreffen alles.« Alon hielt inne. »Eigentlich haben wir überhaupt keine Zeit für so was, aber stellt euch mal im Kreis um diesen Baum herum und fasst euch an den Händen.«
Die Mädchen und Jungen folgten seiner Anweisung. Aber selbst gemeinsam mit Alon konnten sie den Baum nicht umfassen – sein Stamm war einfach zu dick.
»Hört doch mal!«, flüsterte Chika staunend. Die anderen wussten zunächst nicht, was sie hören sollten. »Haltet ein Ohr ganz dicht an die Baumrinde und dann lauscht …«
»Der Baum brummt ja!«, sagte Pendo überrascht. Alle konnten es nun hören. Ein ganz tiefes, sanftes Dröhnen schien aus dem Inneren des Baumes zu kommen.
»Das muss der Atem der Bäume sein, den man hier im Zauberwald hören kann«, wisperte Alon. »Die Kindergeschichten, die in Gan erzählt werden, scheinen alle wahr zu sein. Unfassbar!«
Als sie weitergingen, fragte Finn: »Was sind das für Geschichten, die über den Wald erzählt werden?«
»Es sind Geschichten über sprechende Tiere und Pflanzen, Geschichten über Fabelwesen wie Seenymphen, Zentauren, Einhörner, Elfen und auch den großen Pelikan. Kein Mensch glaubte in den letzten Jahren wirklich mehr an diese Geschichten. Es waren halt Märchen, die wir kleinen Kindern erzählen«, erklärte Alon. »Lediglich die Lichtalben meinten immer, sie hätten einen wahren Kern.«
»Offensichtlich hatten sie recht«, sagte Joe nüchtern.
Finn griff gedankenversunken in seine Tasche und nahm das goldene Etui mit der Feder des Pelikans Äbrah in die Hand. Vielleicht waren ja die Geschichten, die sich um diesen Schatz rankten, tatsächlich wahr? Oh, wie sehr wünschte er sich die Hilfe dieses sagenumwobenen Vogels herbei!
»Aber warum ist nie jemand in diesen Wald gegangen, um nachzuschauen, was von diesen Geschichten wahr ist? Immerhin gibt es ja auch Lichtalben und Bergmännchen, an die der Rest der Welt ebenfalls nicht glaubt«, fragte Pendo.
Alon schien seine Worte gut abzuwägen: »Die Geschichten über den Zauberwald sind nicht nur schöne Kindergeschichten. Es wird auch von mutigen Frauen und Männern erzählt, die den Wald erforschen wollten. Aber sie … nun ja, wie soll ich es sagen … sie sind niemals zurückgekehrt. Der Wald gilt deshalb als ausgesprochen gefährlich.« Als er die besorgten Gesichter der Gefährten sah, fügte er schnell hinzu: »Ich denke, wir brauchen keine Angst zu haben. Immerhin hat uns eine Nymphe höchstpersönlich in den Wald eingeladen. Bestimmt sind wir gerade am sichersten Ort im ganzen Lande Gan.«
»Hoffentlich hast du recht. Ich frage mich trotzdem, warum dieser Wald sicherer sein soll als andere Wälder in Gan«, meinte Finn.
»Wer immer die Schwarzalben hierher geführt hat, er scheint gut informiert zu sein und wird wissen, dass wir Menschen uns nicht in
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