Das Amulett von Gan (German Edition)
sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Er quälte sich immer noch mit den Worten der Prophezeiung herum, die er mittlerweile auswendig konnte:
Der Leuchtende sich
ins Dunkel verstrickt,
vom Bösen erfüllt,
nur der Rache gewillt.
Will zerstören das Land –
Tod bringt seine Hand.
Doch einer naht,
der die Hoffnung bewahrt.
Mit des Schöpfers Kraft
trägt er die Last,
und in größter Not
wird besiegt der Tod.
Würde einer von ihnen an diesem Tag sterben? Und wenn ja, wer würde es sein? Vielleicht sogar er selbst? Finn wagte es immer noch nicht, sich den anderen anzuvertrauen, wollte sie nicht unnötig belasten. Je zuversichtlicher sie in den Kampf zogen, desto besser, dachte er sich. Ihn selbst bedrückten diese Gedanken jedoch sehr. Es verging keine Minute, in der er nicht daran denken musste.
Im Laufe des Vormittags konnten sie unbehelligt den Zauberwald durchqueren. Schließlich gelangten sie zur zweiten Brücke, von der die Wasserratte erzählt hatte, und verließen bald darauf den Wald der sprechenden Tiere und Bäume.
»So, meine Freunde, jetzt ist wieder höchste Vorsicht geboten. Vielleicht befinden sich die Schwarzalben gerade auf der Suche nach uns im Zauberwald und wir können uns hier ungestört fortbewegen, darauf verlassen können wir uns aber nicht«, sagte Alon.
»Als wir vor nicht mal einer Woche nach Gan gekommen sind, schienen mir die Bäume und Früchte so unglaublich großund farbenfroh zu sein. Aber wenn ich sie jetzt mit dem Zauberwald vergleiche, wirken sie richtig klein, findet ihr nicht auch?«, bemerkte Joe. Seine Gefährten betrachteten nun genauer die Natur, die sie umgab. Chika schaute nach oben, um herauszufinden, ob die Bäume hier tatsächlich kleiner waren. Im selben Augenblick schrie sie plötzlich laut auf. Die anderen schafften es gerade noch, ebenfalls nach oben zu schauen, als sie schon das Netz auf ihren Gesichtern spürten: Vier Schwarzalben hatten mit Fangnetzen bewaffnet weit oben in den Bäumen gesessen und den Weg bewacht, der aus dem Zauberwald herausführte. Sie hatten es sich offenbar anders überlegt und sich gar nicht erst in den Zauberwald hineingewagt, sondern darauf gehofft, dass die Träger der Amulette diesen an einem der ihnen bekannten Zugangswege wieder verlassen würden. Und ihre Rechnung ging auf. Die Träger der Amulette und Alon waren ihnen direkt in die Falle gegangen. Festgezurrt in den Netzen konnten sie sich nicht mehr regen, geschweige denn zu ihren Waffen greifen.
Falls Schwarzalben überhaupt so etwas wie Freude empfinden konnten, war das, was sie jetzt aufführten, wohl ein Ausdruck davon. Sie sprangen mit hüpfenden Schritten und ausgebreiteten Flügeln um ihre Beute herum. Sie stierten mit ihren roten Augen auf ihre Gefangenen und züngelten mit ihren langen roten Zungen. Dabei gaben sie zischende Geräusche von sich, wie die Gefährten sie auch schon bei der vom Wind überbrachten Botschaft gehört hatten.
» Tzzztzzz, jetzt haben wir euch, tzzztzzz !«, zischte einer von ihnen. Die Schwarzalben holten lange, gefährliche Lanzen aus dem Gebüsch und bedrohten damit ihre Gefangenen. Finn, Pendo, Joe und Chika und selbst Alon stand der Angstschweiß auf der Stirn. Sie wussten vor lauter Panik überhaupt nicht mehr, was sie tun sollten, und konnten dem Spektakel der Schwarzalben nur atemlos zuschauen. Einzeln holten diese ihre Gefangenen aus dem Netz heraus und fesselten ihre Hände. Dabei achteten siegenauestens darauf, nicht die Kleidung der Träger der Amulette und die Waffen, die die Lichtalben ihnen geschenkt hatten, zu berühren. Jedes Mal, wenn ihnen einer der Gegenstände zu nahe kam, sprangen sie zischend zurück und hielten ihren Gefangenen drohend ihre Lanzen an den Hals.
» Tzzztzzz , los geht’s. Wir bringen sie zur Höhle und rufen dann Harah, unseren Gebieter. Er wird uns reich belohnen, tzzztzzz .«
Sie führten die Gefangenen mit ausgestreckten Lanzen weiter den Weg entlang, bis sie zu einer der unzähligen Höhlen kamen, die es in Gan gab. Mit den Lanzen schubsten sie die Gefährten durch den Eingang hinein und dann durch eine kleinere Öffnung in einen dunklen Innenraum. Mit einem mächtigen Stein verschlossen sie das Gefängnis von außen.
Erst jetzt, im Dunkeln, wagten die Freunde, sich zu regen. Die Angst, die sie sonst beim Anblick der Schwarzalben empfunden hatten, war in der direkten Begegnung mit ihnen zur Panik angewachsen. Sie brauchten Zeit, um ihre Stimmen wiederzufinden.
»Sie sind so
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