Das Amulett
niemals.«
»Und was, wenn nicht alle Gnome Monster sind?«, fragte Ul‘goth. »Selbst die Goblins haben untereinander Krieg geführt, als wir sie angriffen. Weshalb wohl? Vielleicht gab es einige von ihnen, die nicht weiter morden wollten.«
»Das vergisst du mal lieber ganz schnell wieder!«, entgegnete Khalldeg bestimmt. »Gnome sind ehrlose Verräter! Halsabschneider! Brudermörder! Dämonenpaktierer! Keiner von ihnen ist den Dreck unter meinen Sohlen wert, verstanden? Sie zu töten, ist eine gute Sache, glaub mir«, endete er und wedelte dabei mit dem knubbeligen Zeigefinger vor Ul‘goths Brust.
Der Hüne gab sich geschlagen, sein Blick jedoch verriet Tharador, dass er dennoch nicht alle Gnome aus diesem starren Blickwinkel betrachten konnte. Dem Paladin ging es ebenso. Bevor er diese Reise angetreten hatte, hatte er alle Orks für mordgierige Ungeheuer gehalten. Dann hatte er in Surdan gesehen, wie die Eroberer die Stadt hegten und in Frieden bewohnten. Unter den Orks gab es genauso viel gut und böse wie unter den Menschen Tharador fragte sich, weshalb dasselbe nicht auch für die Gnome gelten sollte.
»Willst du sie alle töten?«, fragte Tharador.
»Alle, die mir im Weg sind, ja!«, erwiderte Khalldeg grimmig. »Und jetzt weiter, das Wetter könnte umschlagen, und ich will deine Höhle noch vor Sonnenuntergang erreichen.«
Tharador führte sie geradewegs nach Norden und umging die verlassenen Höfe der ausgesiedelten Bauern. Ul‘goth quälte sich ohnehin schon reichlich; der Paladin wollte ihm den trostlosen Anblick ersparen. Zudem war es kein Umweg, und sie würden die Höhle noch mit den letzten Sonnenstrahlen erreichen.
Den restlichen Tag lang sprachen sie kaum noch. Tharador fühlte, wie niedergeschlagen sie alle waren. Die Todfelsen erhoben sich weiter, als man blicken konnte, in den Himmel und nach Osten. Sie schienen ein unbezwingbarer Gegner, dennoch steuerte die kleine Gruppe genau auf sie zu. Niemand wusste, was sie in der Feste Gulmar erwarten würde, doch es wäre sicherlich nichts Gutes. Ihr Unterfangen schien unter einem ungünstigen Stern zu stehen, doch bisher hatte keiner von ihnen die richtigen Worte gefunden, um den anderen Mut zu machen.
Als wollten die Berge sie verhöhnen, strahlte die Sonne warm und ohne Unterlass auf sie herab, brach sich an den schneebedeckten Gipfeln und funkelte in den Farben der herrlichsten Juwelen. Es schien, als marschierten sie auf ein trügerisches Paradies zu.
Das Gelände wurde zunehmend hügeliger, der Weg beschwerlicher. Das Langgras wich immer häufiger kargen Felsen, die aus der Erde hervorbrachen oder von früheren Gerölllawinen stammten. Sie mieden die losen Steine und versuchten, weiter auf festgetretener Erde zu laufen.
»Wir sollten vorsichtig sein«, schlug Faeron vor. »Diese Gegend eignet sich perfekt für einen Hinterhalt.«
Eine zweite Aufforderung brauchte Khalldeg nicht. Er zog die beiden Berserkermesser, und jegliche Trübsal wich aus seinem Blick, verdrängt von einer Mischung aus Wachsamkeit und freudiger Erwartung.
Tharador dankte dem Elfen mit einem unmerklichen Nicken. Er bezweifelte stark, dass ihnen in dieser verlassenen Gegend mehr als ein verirrter Felsen begegnen würde, doch die bloße Möglichkeit eines Hinterhalts ließ sie alle ihre trübseligen Gedanken vergessen.
»Die Höhle ist nicht mehr weit«, stellte er nach einem prüfenden Blick durch die Umgebung und an den Himmel fest. Er deutete auf einen Hügel, der etwa Tausend Schritt Entfernung vor ihnen aufragte. Der Paladin erinnerte sich noch genau daran, wie die Garde damals einen der letzten Bären der Hochebene ausgeräuchert hatte. Die Menschen Surdans hatten große Anstrengungen unternommen, das Gebiet um die Stadt von sämtlichen wilden Tieren zu befreien. Einauge, wie der Bär von der Bevölkerung genannt wurde, war ein riesiger Vertreter seiner Art gewesen. Aufrecht hatte er es auf eine Größe von gut elf Fuß gebracht, und er hatte mindestens achthundert Pfund gewogen.
Das Bild des Bären hatte sich in Tharadors Geist als Beispiel von Stärke und Unbeugsamkeit festgebrannt. Selbst, als sein Fell Feuer fing, hatte sich Einauge nicht beirren lassen. Mit Pranken, größer als die behelmten Köpfe der Soldaten, hatte er sie in Stücke gefetzt. Am Ende hatte Dergeron ihm den Todesstoß versetzt und war von den übrigen Männern gefeiert worden.
Damals hatten Tharador und Queldan den zehn Jahre älteren Dergeron kennen gelernt, den sie seit ihrer
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