Das Amulett
Stahl ertönte, erreichten sie Calissa, die mit den Fingerspitzen die Wand abtastete und sorgfältig nach der Geheimtür suchte, die in die natürliche Höhle führen würde.
Plötzlich hielt sie inne. Die Verwerfung war unscheinbar und mit freiem Auge nicht zu erkennen, doch ihr feiner Tastsinn erkannte die schmale Lücke deutlich. Sofort zog sie einen Dolch und fuhr mit der Klingenspitze die Linie nach, als wollte sie den Umriss der Tür in den Stein ritzen. »Der Durchgang muss hier sein.« Calissa suchte die Wand nach einem verborgenen Mechanismus zum Öffnen des Durchgangs ab.
Laute Hammerschläge, die gegen das zweiflügelige Tor donnerten, ließen sie zusammenzucken.
»Sie kommen!«, brüllte Ul‘goth über den lauter werdenden Kampfeslärm.
Calissa schüttelte den Kopf und zwang sich zu Konzentration. Ihre Finger glitten weiter über den glatten Stein; schließlich atmete sie erleichtert auf. »Hier ist es.« Nach einem prüfenden Blick kramte sie in ihrem Bündel nach einem schmalen Röhrchen. Darin befand sich das Donnerpulver, das bereits gegen die von Xandor beschworenen Golems unschätzbare Dienste geleistet hatte.
Der versteckte Mechanismus ähnelte jenem, den Khalldeg damals beim Eintritt in die Feste ausgelöst hatte, erkannte Tharador. Calissa pulte ein wenig von dem falschen Mauerwerk ab, das die runde Öffnung verdeckte. Dann streute sie das Donnerpulver in die Kuhle und steckte das Röhrchen in die brüchige Wand.
»Geht zur Seite«, warnte sie rasch und schlug über dem Röhrchen zwei Feuersteine kräftig gegeneinander.
Nichts geschah.
Sie brauchte vier weitere Versuche, bis ein Funke das Pulver entfachte und das Röhrchen wie eine Lunte brannte.
Die drei Freunde sprangen hastig von der Wand zurück, und kurz darauf ertönte der Knall einer kleinen Explosion, deren Wucht ein schmales Loch in die Wand riss und den Mechanismus zerstörte, der die Tür im Schloss hielt. Der geheime Durchgang öffnete sich und gab den Blick in die dahinter liegende Höhle frei.
»Geht voraus – ich helfe Ul‘goth bei der anderen Tür«, rief Calissa und wandte sich bereits um.
»Beeilt euch«, rief Tharador ihr nach und ergriff eine brennende Fackel. Dann verschwanden er und Faeron durch die niedrige Tür.
Khalldeg stürmte auf Baldrokk zu und begann den Kampf mit einer wilden Serie von schnellen Hieben, die der Gnomenkönig mit der großen Axt parierte oder denen er auswich. Khalldeg hoffte, den Kampf durch Schnelligkeit zu gewinnen und Baldrokk zu überrumpeln.
Der alte Zwerg hatte einen solchen Angriff vorausgesehen und zog sich planvoll mit jeder Abwehr einige Fingerbreit weiter von Khalldeg zurück. Schon bald waren kaum noch die Hälfte der Hiebe gefährlich, und Baldrokk konnte den vollen Vorteil der längeren Waffe nutzen.
Khalldegs linkes Berserkermesser flog in einem waagrechten Schwinger heran, der gegen Baldrokks Schulter zielte. Der Hieb fiel zu kurz aus, und der erfahrene Zwerg, der schon vor langer Zeit Wildheit gegen Besonnenheit eingetauscht hatte, bog das Kreuz nach hinten durch; die gefährliche Waffe sauste harmlos an ihm vorbei. In derselben Bewegung holte Baldrokk mit Königstöter aus, und als er den Rücken wieder streckte, schnellte seine schwere Axt in einem weiten Schwung nach vorn, der auf die linke Schulter seines Gegner zielte.
Khalldeg bemerkte die heranschnellende Axt aus dem Augenwinkel. Er setzte zu einem Konterschlag mit der Rechten an und fing die Streitaxt mit der Kuhle zwischen seinem Axtblatt und dem abwärts gerichteten Stachel ab.
Für diese Parade musste er eine halbe Drehung vollführen, um genug Kraft hinter den eigenen Schlag legen zu können. Nun kehrte er Baldrokk den Rücken zu, und sein Gegner ließ sich nicht lange bitten. Der Gnomenkönig sprang einen Satz nach vorn und rammte Khalldeg das Knie in die Wirbelsäule, dass der junge Zwerg nach vorn stolperte und zu Boden fiel.
Noch während er vor Schmerzen aufschrie, drehte er sich herum und brachte die beiden Berserkermesser schützend vor sich. Keinen Augenblick zu früh, denn Baldrokks Axt landete schwer auf Khalldegs gekreuzten Berserkermessern; die schiere Wucht des Schlags presste dem am Boden liegenden Zwerg die Luft aus den Lungen.
»Du wirst hier sterben«, presste Baldrokk zwischen verbissenen Zähnen hervor, als er versuchte, Khalldegs Arme zur Seite zu drücken.
»Dann wird ein anderer kommen«, erwiderte der Berserker grimmig. Er drückte die Axt langsam zur Seite und ließ sie neben
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