Das Amulett
zurücklassen und gehen können, doch er liebte seine Alynéa einfach zu sehr. Shango duldete ihn, zumal es ihm einerlei war, mit wie vielen Männern Alynéa schlief, solange sie stets für ihn bereit war. Tizir war ein mächtiger Magier, dennoch hatte er sich die letzten Jahrzehnte in sicheren Verstecken verborgen. Seinen eigenen Aussagen zufolge hatte er sich vor einem noch mächtigeren Magier geschützt.
Eines Nachts hatte er all seine Anhänger und Sklaven versammeln lassen und ihnen verkündet, dass es Zeit sei, aufzubrechen. Der mächtigste aller Magier sei tot, und Tizirs Zeit sei gekommen. Unter dem Deckmantel eines Zirkusses hatten sie viele Städte bereist, rastlos und ohne klares Ziel. Tizir sprach ständig von Visionen, die ihm den Weg weisen würden, doch bisher ergab ihre ganze Reise für Verren keinen Sinn.
»Es ist seine Stadt, und wir sind Fremde«, erwiderte Verren schließlich mit einem Achselzucken.
»Wir sind fast am Ziel«, sagte Tizir verheißungsvoll. »Wir bleiben hier.«
»Er gibt uns die Dauer einer Mondphase«, widersprach Verren und fügte hinzu: »Von der bereits ein Tag verstrichen ist.«
»Was soll er schon gegen uns ausrichten?«, erklang eine nicht weniger vertraute, allerdings viel angenehmere Stimme. Alynéa lag auf den rechten Ellenbogen gestützt neben Tizir. Ihr linkes, angewinkeltes Bein entblößte das nackte Knie unter ihrer geschlitzten Seidenrobe. Die blonden Haare fielen bis auf den Boden hinab und gaben den Blick auf ihre Schulter frei. Sie war zugleich Tizirs Gespielin und Schülerin. Cantas Verren hasste Tizir schon allein, weil er Alynéa mit ihm teilen musste. Nicht selten hätte er dem Magier gerne ein Messer zwischen die Rippen gerammt, doch Shango war ein zu mächtiger Gegner, der sich niemals eine Blöße gab. Vorläufig musste er sich mit der Lage abfinden.
»Er könnte uns die gesamte Armee dieser Grafschaft auf den Hals hetzen. Das wäre ein unangenehmer – und alles andere als unauffälliger – Kampf«, gab er seine Gedanken preis.
»Gewiss, gewiss, einen solchen Konflikt wollen und können wir überhaupt nicht führen«, räumte Tizir ein. »Doch wie schätzt du ihn ein, diesen Dergeron Karolus?«
Cantas Verren legte die Stirn kurz in Falten und dachte über Tizirs Frage nach, versuchte sich jede Kleinigkeit seiner Begegnung mit dem Kommandanten ins Gedächtnis zu rufen. Schließlich nickte er und gelangte zu einer Einschätzung des Mannes: »Der Kommandant scheint mir jemand, der seinen persönlichen Ruhm über den der Gemeinschaft stellt. Er ist arrogant und hat offenbar ein unbändiges Verlangen danach, sich zu beweisen. Gleichzeitig umgibt ihn aber eine Aura der Macht, die ich bisher bei nur wenigen Männern gespürt habe. Er wäre bestimmt ein formidabler Gegner.«
Tizir schürzte die Lippen und verzog sie zu einem Grinsen. »Gut, das wäre dann alles, Verren. Geh und überwach den Aufbau der Bühne«, entließ er den Krieger.
Verren warf Alynéa noch einen verstohlenen Blick zu, doch entweder hatte sie es nicht bemerkt oder sie ignorierte ihn einfach. Schließlich drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand in den schneegrauen Morgen hinaus.
Als der Krieger gegangen war, glitt Tizirs Blick über die seidig weiße Haut des nackten Beins der jungen Frau. Alynéa gab sich keine Mühe, es zu bedecken, sondern wappnete sich innerlich gegen den aufsteigenden Ekel, der sie jedes Mal überkam, wenn er sie auf diese Art anstarrte. Tizirs lüsternen Blicken folgte meist eine nicht minder widerliche Berührung; und schon spürte sie die faltige Hand des Alten, die ihr zärtlich über das Bein strich. Er leckte sich gierig über die schrumpeligen Lippen, und seine Augen leuchteten auf, als sein Körper sich an die Vergnügungen erinnerte, zu denen er in früheren Jahren fähig gewesen war.
»Komm her, meine Taube«, säuselte er.
Alynéa setzte ein steinernes Lächeln auf und verstärkte die Mauern um ihr Innerstes. Als Shangos Hand weiter ihren Schenkel hinauf und in ihren Schritt glitt, schrie sie innerlich auf, doch sie wagte nicht, sich ihm zu widersetzen. Zu stark war die Macht des alten Mannes, der sie vor so vielen Jahren mit dem Bann der Gefolgschaft belegt hatte. Eines Tages , dachte sie dennoch, als seine Finger sich gierig einen Weg in ihren Körper bahnten und er selbst vor Erregung zu beben begann, eines Tages werde ich dich töten. Sie klammerte sich an den Gedanken wie an einen rettenden Anker; eines Tages würde sie sich an Shango
Weitere Kostenlose Bücher