Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan R. Bellem
Vom Netzwerk:
wollte, dass Ul‘goth sich erhob und ihm folgte. Und der Ork konnte dem Kanduri nur gehorchen.
    Als sie sich weit genug von den anderen entfernt hatten, begann der Ewige zu sprechen: »Wir hatten noch keine Gelegenheit, uns ungestört zu unterhalten, Orkkönig«, stellte der Ewige fest, und seine chorgleiche Stimme hallte in Ul‘goths Schädel wider.
    »Was sollte ich Euch erzählen können, das Ihr nicht schon wisst?«, fragte der Ork. »Und ich bin kein König mehr.«
    Der Ewige grinste belustigt. »Dann fang doch damit an, mir zu berichten, warum du kein König mehr bist.«
    Ul‘goth seufzte und stieß dabei ein Wort aus: »Traditionen.«
    »Ah, Morkarions Vorliebe für strenge Regeln hat meinen Bruder also überlebt.«
    »Euren Bruder?«, fragte Ul‘goth ungläubig.
    Der Ewige nickte. »Morkarion war, so wie alle Kanduri, ein Kind Aurelions. Und wie jedes Kind Aurelions suchte er sich eines der Völker aus, das er zu seinen Kindern ernannte. Lediglich Magra verzichtete auf ein einziges Volk und wählte alle Pflanzen und Tiere als ihre Kinder. Als sie jedoch Alghor zum Gefährten nahm, wählte sie die Gestalt einer menschlichen Frau.«
    Ul‘goths Blick verriet, dass er kein Wort verstanden hatte.
    Der Ewige lächelte verklärt. »Verzeih, ich schweife ab. Morkarion wählte dein Volk. Er wurde euer Gott.«
    »Willst du mir sagen, dass unser ältester Ahne ein Gott war?«, fragte Ul‘goth plötzlich, als er den Zusammenhang zwischen der Geschichte seiner Ahnen und der Offenbarung des Ewigen begriff.
    »Ja«, bestätigte der Ewige. »Und weiß dein Volk noch, wie Morkarion starb?«
    Ul‘goth überlegte kurz, dann antwortete er: »Ein Goblin soll ihn betrogen und getötet haben.«
    Der Ewige nickte. »So ähnlich war es auch. Nur war der Goblin Garpor unser Bruder. Morkarion war vielleicht der Tapferste von uns allen, weißt du das? Er und Branghor wählten sich die ungestümsten Kinder, und lange Zeit lebten Orks und Barbaren gemeinsam im Norden. Bis der Krieg gegen die Elementare die Menschen aus dem Süden über die Berge trieb ... aber ich schweife schon wieder ab.«
    »Weshalb erzählt Ihr mir das alles?«, fragte Ul‘goth verwirrt.
    »Weil dein Volk nicht länger isoliert bleiben kann. Ihr müsst euer Erbe akzeptieren und Morkarions Kampf fortführen«, offenbarte der Ewige.
    »Welchen Kampf? Ich habe Crezik getötet, der ein Goblin war«, überlegte Ul‘goth. »Soll ich Rache für Morkarion an Garpors Kindern nehmen?«
    »Ich spreche von Morkarions eigentlichem Kampf«, erklärte der Kanduri . »Dem Kampf gegen Aurelion. Hätten wir Draganor vertraut und ihm geglaubt, wäre es nie so weit gekommen. Aber wir waren blind. Morkarion nahm den Kampf gegen unseren verblendeten Vater als Erster auf. Und wurde dabei von Garpor erschlagen. So wurden Garpor der erste Aurelit und Morkarion das erste Opfer des Kriegs der Kanduri . Jetzt, wo das Buch Karand greifbar nahe ist, müsst ihr den Kampf gegen die Dunkelheit fortführen.«
    »Ich bin kein König mehr; ich kann die Häuptlinge nicht überzeugen.«
    »Das musst du aber«, beharrte der Ewige. »Und ich verlange noch mehr von euch.«
    * * *
    Tharador erwachte, als die Sonne sich langsam über den Horizont erhob. Der Paladin fühlte sich trotz der quälenden Fragen, die ihn so lange wachgehalten hatten, erfrischt und ausgeruht. Der Zauber der Quelle , dachte Tharador bei sich und streckte die Glieder.
    Zu seiner Überraschung erwartete ihn Faeron bereits mit einem auffordernden Blick. »Komm mit«, sagte er knapp, und Tharador gehorchte.
    Als sie einen Teil des Ufers etwas abseits des Nachtlagers erreichten, zog Faeron zwei der magischen Holzpfeile aus seiner Gürteltasche und ließ sie zu Boden fallen. Der Elf murmelte etwas in der Sprache seines Volkes und beugte sich zu den Pfeilen hinab. Die rechte Handfläche ließ er unermüdlich über ihnen kreisen, und als er sein Gebet beendete, waren die beiden Pfeile zu hölzernen Langschwertern gewachsen.
    »Interessant«, stellte Faeron mit entspannter Stimme fest. Sonst wirkte er nach einem seiner Zauber erschöpft, diesmal hingegen nicht im geringsten. »Ein wahrlich mächtiges Geschenk.« An den Paladin gewandt fuhr er fort: »Nimm es und schließ die Augen.«
    Tharador folgte den Anweisungen. Kaum hatte er die Augen geschlossen, stellte sein Körper sich auf die Veränderung ein; unwillkürlich konzentrierte er sich stärker auf sein Gehör. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass er erstaunlich scharfe Ohren besaß.

Weitere Kostenlose Bücher