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Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan R. Bellem
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Kein auch noch so leiser Schritt seines Gegenübers blieb ihm verborgen.
    Er hörte, wie die Luft von etwas durchschnitten wurde, doch alles, was er hervorbrachte, war »Was ...« – dann traf ihn Faerons Holzschwert am linken Arm. »Was tust du?«, fragte Tharador verwirrt.
    »Dir helfen«, lautete die knappe Antwort des Elfen, gefolgt von einem weiteren Treffer gegen die Schulter.
    Tharador öffnete die Augen und parierte den nächsten Hieb seines Freundes gekonnt mit der hölzernen Klinge. Erst jetzt erkannte er, dass Faeron ebenfalls die Augen geschlossen hatte. »Was ist das nun wieder für ein Spiel?«
    »Schließ die Augen«, befahl der Elf.
    »Woher weißt du ...«, setzte der Paladin an, doch Faeron fiel ihm ins Wort.
    »Ich weiß gar nichts. Ich fühle es. An der Härte deiner Bewegung fühle ich, dass du dich auf deine Augen verlässt und nicht auf deine anderen Sinne.«
    »Es gibt einen Grund dafür, dass wir in Surdan keine Blinden in die Stadtgarde aufgenommen haben«, schoss Tharador zurück und griff seinerseits den Elfen an.
    Faeron parierte den Streich mühelos, was den Paladin völlig verunsicherte und ihm zwei Schläge gegen die Schultern einbrachte. »Und es gibt einen Grund hierfür«, sagte Faeron mit einem überlegenen Lächeln. »Also vertrau mir und versuch, ihn herauszufinden.«
    Widerwillig gehorchte Tharador und schloss erneut die Augen. Er konzentrierte sich auf sein Gehör und versuchte, Faerons Bewegungen wahrzunehmen, allerdings mit mäßigem Erfolg. Von vier Schlägen parierte er lediglich einen – und den eher zufällig. Mittlerweile schmerzte seine linke Schulter von den wiederholten Treffern, was er sich jedoch nicht anmerken ließ. Faeron wollte mit dieser Übung etwas bezwecken, und Tharador würde nicht aufgeben.
    Verdammt, was hat das hier mit der Vervollkommnung meiner Seele zu tun? , dachte Tharador entnervt.
    Faerons Schläge wurden langsamer, und Tharador nutzte die Verschnaufpausen dazu, seine Gedanken zu ordnen. Faeron hat meinen Angriff nicht gesehen, nur gefühlt. Aber wie? Wie fühlt man einen bevorstehenden Angriff?
    Tharador ließ das Schwert sinken und stellte sich reglos vor seinen Gegner. Faerons Hiebe trafen ihn unentwegt, doch der Elf spürte die Veränderung der Haltung seines Schülers und verringerte den Druck hinter seinen Attacken. Der Paladin ließ sich weiter von dem Elfen treffen. Tharador atmete tief und gleichmäßig und konzentrierte sich nur darauf. Er spürte den eigenen Atemzug, wie die Luft durch die Nase, den Rachen hinunter und schließlich in die Lunge strömte. Als er wieder ausatmete, stellte er sich den kleinen Windstoß vor, den seine Nase erzeugte. Er fühlte die Luft um sich herum, spürte den Boden durch seine Stiefel. Allmählich begriff Tharador, was Faeron ihm vermitteln wollte. Jedes Lebewesen, jede Pflanze und selbst die Luft, die Erde und das Wasser. Alles nahm seinen Platz in der Welt ein. Alles beeinflusste sich gegenseitig.
    Der Paladin konzentrierte sich noch stärker, und plötzlich huschte ein Bild über seine geschlossenen Augenlieder. Es war Faerons Silhouette, die mit dem Holzschwert in der Hand zum Angriff ansetzte. Tharador konnte die Luft fühlen, die der Elf bei seinen Bewegungen verdrängte.
    Er versank noch weiter in seine Konzentration, bis er alle Geräusche um sich herum ausgeblendet hatte. Tharador war sicher, Faerons Angriff nun gewachsen zu sein, und hob das Schwert zur Parade, doch der Elf konterte seine langsame Bewegung aus und traf ihn am Oberschenkel.
    Tharador gab nicht auf und nutzte alle verbliebenen Sinne. Zwar spürte er Faerons Bewegungen, doch das war nicht genug. Er steigerte seine Konzentration weiter, und plötzlich konnte er auch das Aroma der Holzwaffe, den Duft von Faerons Haut riechen – all das formte ein klares Bild vor ihm. Als er nun seinem Gehör wieder gestattete, Geräusche wahrzunehmen, wurde sein Bild noch klarer.
    Faerons nächster Hieb ging glatt ins Leere, und Tharador tauchte zur Linken des Elfen wieder auf, versetzte ihm einen Klaps aufs Hinterteil.
    »Du lernst wie immer sehr schnell«, lobte Faeron den Freund. »Dies war der erste Schritt auf einem langen Weg, Tharador.«
    »Dann sollten wir keine Zeit verlieren«, gab er zurück.
    »Ich werde nach Ul‘goth sehen«, meinte Faeron. »Womöglich können wir noch heute aufbrechen.«
    Der Elf wandte sich schon zum Gehen, als Tharador ihn am Arm zurückhielt. »Warte. Du hast eben ein Geschenk erwähnt. Was für ein Geschenk

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