Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
Monster. Er hatte schon einige Male gebissen und die Familie versuchte verzweifelt, sowohl die Freunde zu schützen als auch den Hund behalten zu können. Wir alle arbeiteten hart an einer Therapie, aber wir mussten ein dem Verhalten zugrunde liegendes Muster finden. Was hatten manche der Besucher an sich, auf das er so reagierte? Oder waren es gar nicht die Besucher selbst, sondern etwas anderes? Wir konnten kein Muster dafür finden, wen er angriff und wen er mochte: Es war keiner der üblichen Auslöser wie Geschlecht, Körpergröße, Haarfarbe oder Hüte. Schließlich fanden wir es heraus. Es war Pizza. Offenbar hatte der Fahrer eines Pizzataxis ihn getreten, als er etwa sechs Monate alt war, ein Alter, in dem Hunde sehr beeinflussbar sind. Wer das Haus betrat, nachdem er eine Pizza gegessen hatte, steckte in Schwierigkeiten. Wir konditionierten ihn darauf, nach Pizza riechende Gäste mit etwas ganz Tollem in Verbindung zu bringen (zum Beispiel, die Pizza fressen zu dürfen), und seitdem gab es nie mehr Probleme.
K ÖNNEN S IE MIR SAGEN, WO DIE T OILETTE IST ? I CH KANN SIE NIRGENDS RIECHEN .
Wenn wir Menschen in der Öffentlichkeit unterwegs sind und auf die Toilette müssen, verhalten wir uns immer gleich. Zuerst suchen wir mit unseren Augen nach dem Schild »Damentoilette« oder »Herrentoilette«. Wenn das nicht funktioniert hat, setzen wir die Sprache ein: »Entschuldigung, wo ist hier die Toilette?« Hunde aber schauen nicht nach Toiletten und sprechen auch nicht darüber mit Winseln, Bellen oder Heulen. Sie halten ihre Nase tief und suchen sie nach ihrem Geruch. Das ist der Grund dafür, warum sie jeden Geruch von Hundeurin oder -kot aus dem Haus entfernen müssen, wenn Ihr Hund ein Problem mit der Stubenreinheit hat. Hunde, die im Haus urinieren oder koten, können dem chemischen »Hinweisschild« auf dem Teppich nicht widerstehen, das ihnen sagt: »Geh nach hier!« Nur weil es in Geruch geschrieben ist, ist es nicht weniger animierend. Selbst eigentlich stubenreine Hunde haben schon ins Haus gemacht, weil sie »Haus« anders definierten als ihre Besitzer. Wir definieren »Haus« als von Wänden umgeben, während die meisten Hunde unter »Haus« das zu verstehen scheinen, wo sie die meiste Zeit verbringen und wo es folglich am stärksten nach dem eigenen Rudel riecht. Viele der Hunde meiner Kunden gingen deshalb nach hinten ins Gästezimmer, einen Raum ohne die vertrauten Familiengerüche. In den meisten dieser Fälle kann es schon reichen, den Uringeruch zu entfernen und dann den Bereich mit einem anderen Geruch zu markieren, damit der Hund wieder die richtige »Toilette« benutzt. Wenn Sie den Bereich gesäubert und vom Geruch befreit haben, setzen Sie sich mit Ihrem Hund und einem Buch auf den Teppich und verbringen jeden Tag dort ein bisschen Zeit. Schon in wenigen Tagen wird die Stelle für Ihren Welpen wie ein Wohnzimmer anstatt wie eine Toilette riechen.
Es hilft auch sehr, dem Hund jedes Mal ein Leckerchen zu geben, wenn er nach draußen geht – und zwar sofort, wenn er nach draußen geht und nicht erst, wenn er zum Haus zurücktrottet. Ich bin immer ein wenig überrascht, wie schwer sich Hundebesitzer damit tun. Sobald unsere Hunde keine Welpen mehr sind, scheinen wir anzunehmen, dass erwachsene Hunde einfach nach draußen gehen müssen, »weil sie es ja genau wissen«. Wenn Ihr Hund aber ins Badezimmer macht, können Sie sich entweder darüber aufregen und Drohverhalten zeigen, wie es jeder wütende Primat tut – und damit Ihrem Hund eine Höllenangst einjagen – oder Sie können sich überwinden und ihm ein Leckerchen fürs Hinausgehen geben. Vertrauen Sie mir, letzteres funktioniert sehr viel besser.
U NFEHLBARE N ASEN ?
Genauso wie wir oft nicht in der Lage sind, mit unseren Hunden die bemerkenswerte Welt der Gerüche zu teilen, in der sie leben, sind wir uns auch ebenso ihrer Grenzen nicht bewusst. Es scheint eine simple Feststellung zu sein, dass nicht alle Hunde ihre Nase gleich gut benutzen, aber manchmal neigen wir dazu, alle zusammen als »Wunderhunde« in einen Topf zu werfen und es dabei zu belassen. Aber ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten variieren, und sowohl Genetik als auch Erfahrung spielen eine wichtige Rolle.
Die Individuen mancher Rassen sind mit höherer Wahrscheinlichkeit besser darin, ihre Nase einzusetzen, als die anderer. In dem Buch Dog Behavior: The Genetic Basis (Dt.: Hundeverhalten: Die genetischen Grundlagen) beschreiben die Wissenschaftler John Paul Scott
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