Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
möchten und bevorzugen deshalb das Rollen vor dem darauf Urinieren. Ich habe aber schon so viele Hunde Urin auflecken sehen, dass ich diese Möglichkeit mit Skepsis betrachte (aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren). Andere haben vermutet, dass Hunde als Raubtiere versuchen, ihren Eigengeruch vor Beutetieren zu verbergen, indem sie wie etwas anderes riechen. Ich meine aber, dass sie einfach nur riechen wie ein Hund oder Wolf, der sich in etwas Stinkendem gewälzt hat. Davon abgesehen – wenn ich ein verletzliches Beutetier wäre und riechen würde, wie sich ein vierzig Kilo schweres totes Eichhörnchen auf mich zu bewegt, würde ich etwas nervös werden. Hauptsächlich bin ich aber wegen des Verhaltens der Beutetiere selbst nicht so überzeugt von der »Geruchsüberdeckungstheorie«. Arbeitende Border Collies geben einem eine gute Vorstellung davon, wie Tiere, zumindest Huftiere, ihre Umwelt wahrnehmen. Schafe, Rehe oder Pferde sind hochgradig visuell veranlagt und halten ständig Ausschau nach Hinweisen auf Raubtiere. Das ist einer der Gründe dafür, warum ihre Augen seitlich am Kopf sitzen: So können sie immer ein wachsames Auge behalten, auch wenn ihr Kopf zum Grasen gesenkt ist. Zweifellos ist bei manchen Spezies auch der Geruch wichtig zur Erkennung von Raubtieren, aber der Anblick eines sich nähernden Wolfes hätte sicherlich auch dann einen tiefgreifenden Einfluss auf ein Rudel Rotwild, wenn der Wolf riechen würde wie ein totes Kaninchen.
Meine Lieblingstheorie ist die, die ich die »Typ-mit-dem-Goldkettchen-Hypothese« nenne. Sie beginnt damit, wie Hunde und andere Caniden für ihren Lebensunterhalt sorgen. Hunde und Wölfe sind nicht nur Jäger, sondern auch Aasfresser, und Aasfresser können nicht zu wählerisch sein und erwarten, dass sie ihr Fleisch immer kühlschrankfrisch bekommen. Sie fressen, was es gerade gibt und möchten außerdem gerne in einem Revier leben, in dem es viel Futter gibt. Vielleicht, so hat man angenommen, wälzen Hunde sich in toten Tieren oder stinkenden Fäkalien, um damit anderen Hunden mitzuteilen »Hey, sieh mich an, ich lebe in einem Nobelbezirk voller guter Sachen.« Diese Theorie scheint mir fast die plausibelste zu sein.
Aber vielleicht gibt es da auch noch etwas anderes. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, tun sie es aus dem gleichen Grund, aus dem wir Parfüm anlegen. Sie mögen den Geruch. Und genauso, wie wir uns parfümieren, um anziehend auf andere zu wirken, tun wir es auch, um uns selbst eine Freude zu machen. Vielleicht lässt es Hunde gut riechen – für sich selbst und für andere Hunde. Stanley Coren vertrat die gleiche Theorie in seinem Buch Die Geheimnisse der Hundesprache. Ich liebe den Abschnitt, in dem Coren erklärt, das Wälzen in widerlichen (für uns widerlichen) Gerüchen sei das Äquivalent zum »gleichen missverstandenen Begriff von Ästhetik, der Menschen dazu bringt, schreiend bunte Hawaiihemden zu tragen«. Ab jetzt hilft es mir beim Baden eines schleimig-grünlichen Hundes, wenn ich ihn mir in einem lila- und orangefarbenen Blumenhemd, weiten Shorts und furchtbaren Socken vorstelle.
Aber genug von Hunden. Was ist mit uns? Auch wir Menschen bringen fremde Gerüche auf unsere Körper. Nur mögen wir eben andere. Was müssen Hunde von einer Spezies denken, die Schleim aus den Bäuchen von Hirschen (Moschus), eine matschige Flüssigkeit aus Walsperma (Ambra), Sekrete aus Analdrüsen ( Zibet) und den Genitalien von Pflanzen (Blüten sind Fortpflanzungsorgane, schlicht und einfach) über ihren ganzen Körper schmiert? Wir lieben dieses Zeugs genauso wie unsere Hunde einen guten Eichhörnchenkadaver. Die Parfümindustrie sorgt jedes Jahr für fünf Milliarden Dollar Umsatz. Neue Düfte werden in geheimen Tests entwickelt, die so sorgfältig gehütet werden wie die Verfahren zur Herstellung von biologischen Kampfstoffen. Parfüm und gut riechende Produkte wie Badeöl sind das ultimative Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk. Fast jeder riecht gerne gut und etwas Gutes. Über diesen Aspekt der Welt des Geruchs sind wir uns sehr bewusst. Wir nehmen wahr, ob die Luft frisch und lieblich oder schwer und faulig riecht. Mundgeruch kann eine Unterhaltung vergiften und ein sozialer Alptraum für den sein, der ihn hervorbringt. Manche Menschen können sich nach dem Geruch eines Geliebten oder eines Kindes sehnen, als wären sie hungrig nach lebenswichtiger Nahrung. Fast alles, das wir kaufen, ist parfümiert – ob wir es merken oder nicht.
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