Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
richtige? Bo Peep war für mich und die Farm der perfekte Hund gewesen. Sie war brav wie ein Lämmchen zu Menschen, ruhig und würdevoll mit den Schafen und ein Paradebeispiel dafür, wie man mit einer Behinderung leben kann. Sie hatte nur einen Hinterlauf, und der war schwach und instabil. Sie hatte seit der Geburt zur Seite verschobene Kniescheiben und damit die Tierärzte und mich jahrelang mit Operationen und langen Rehabilitationen beschäftigt. Ein Lauf konnte wiederhergestellt werden, funktionierte aber nie normal; den anderen mussten wir letzten Endes amputieren. Sie konnte ein paar Schritte lang aufrecht auf drei Läufen gehen, aber meistens zog sie fröhlich ihr Hinterteil mit ihren kräftigen Vorderläufen hinter sich her. Bo Peep bewegte sich eher wie eine zottelige Robbe als ein Hund, aber sie zahlte uns trotzdem all unsere Reha-Bemühungen dankbar heim. Neun Jahre lang arbeitete sie als Herdenschutzhund für die Schafe und Enten, wobei ihre Behinderung sie nicht an ihrer Pflichterfüllung hinderte. Die meiste Zeit beschützen Herdenschutzhunde die ihnen anvertrauten Tiere indirekt durch Bellen und Geruchsmarkierungen, es war also nicht so, dass sie die ganze Nacht lang mit Bären kämpfen musste. Hier im südlichen Wisconsin sind die für Lämmer gefährlichen Räuber Kojoten und streunende Hunde, und beide machen lieber einen Bogen um Farmen mit Hunden, die so groß sind wie die Schafe selbst. Aber in seltenen Fällen müssen Herdenschutzhunde auch mehr zum Beschützen leisten. Bo Peep hatte sich einen Platz in der Hall of Fame der Herdenschutzhunde verdient, als sie einen dreißig Kilo schweren streunenden Hund stellte, der mit Uncle Burt, dem Erpel, im Fang aus dem Hof hinaustraben wollte. Mit überraschender Schnelligkeit bewegte sich Bo Peep innerhalb von Sekunden quer über den Hof und packte den Streuner am Nackenfell, bis er Uncle Burt losließ. Anschließend brachte sie die Ente zurück in die sichere Scheune. Aber jetzt war sie fort, in ihrer Abwesenheit waren meine Tiere schutzlos und ich brauchte einen bärenköpfigen, seehundäugigen Hund, um das Loch in meinem Herzen zu füllen.
Es ist schwierig, einen einzigartigen Hund zu ersetzen. Ich wollte einen Hund wie Bo Peep, der sanft, aber nicht ängstlich war, sodass er zuverlässig mit Kindern war und ruhig und einfühlsam mit den Schafen. Der häufigste Grund, warum an Schafen arbeitende Hunde versagen, ist zu große Verspieltheit – manchmal endet es damit, dass sie einige ihrer Schützlinge zu Tode spielen. Vier Kilo schwere Lämmer und vierzig Kilo schwere Hunde lieben beide fröhliches Herumtollen, sind aber nicht unbedingt die passendsten Spielgefährten. Die Hunde haben meistens mehr Spaß dabei. Als ich die kleine Tulip sanft auf ihren Rücken drehte und mit der Handfläche meiner anderen Hand über ihrer Brust festhielt, suchte ich deshalb nach einem Hund, der sich erst ein bisschen winden, dann meine Hand lecken und sich dann gelassen in die Situation fügen würde.
»Gelassene Fügung« ist nicht in Tulips Wortschatz. Ich hätte sie »Eloise« nennen sollen, nach dem frechen kleinen Mädchen aus einer wunderbaren Buchserie, das Wasser den Postbeförderungsschacht im New Yorker Plaza Hotel hinuntergekippt hatte. Als Tulip wie ein Fisch unter meinen Händen zappelte und protestierend strampelte, schaute sie geradewegs in meine Augen. Aber es war nicht dieser harte, das Blut in den Adern gefrieren lassende Blick, den ich in den Gesichtern mancher Welpen gesehen hatte. Ihre Augen funkelten wie Wunderkerzen an Weihnachten, glänzend vor Freude und fröhlicher Verspieltheit. Sie und ich sahen uns gegenseitig tief in die Augen, und in diesem kurzen Augenblick war es um mich geschehen. Wie ein dummer Teenager ließ ich zu, dass Tulip mein Herz in weniger als einer Sekunde stahl.
Ach ja, zu meiner Ehrenrettung muss ich erwähnen, dass ich den Züchtern sagte, sie sei nicht der richtige Welpe für mich. Vernünftig suchte ich einen ruhigen, passiven Welpen heraus. Der aber starb, bevor ich ihn mit nach Hause nehmen konnte und die Züchter entschieden sich, den Welpen zu behalten, auf den meine zweite Wahl gefallen war. Also nahm ich meine dritte Wahl mit nach Hause und verwarf Tulip als zu temperamentvoll, um je ein guter Herdenschutzhund für die Schafe zu werden.
Pyrenäenberghundwelpen sehen sich alle sehr ähnlich, aber der, den ich da nach Hause brachte, sah dem Welpen verdächtig unähnlich, von dem ich eigentlich gedacht hatte,
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