Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
es würde deren eigener Wille sein, ob sie Franken verlassen mochten oder nicht.
Elisabeth suchte Thomas in seinem Quartier auf, wo er mit Gottbert seine Kisten reisefertig machte. Elisabeth wartete, bis Gottbert mit einer Kiste in den Armen durch die Tür verschwand, ehe sie zu Thomas trat.
»Nun ist es also so weit, und ich stehe unerwartet plötzlich an der Abzweigung, die mich ins unbekannte Abenteuer führt. Mein Herz klopft mir bis zum Hals, aber ich will es an deiner Seite wagen!« Erwartungsvoll sah sie zu Thomas auf, dessen Miene seltsam ernst wirkte.
»Was ist? Sag mir rasch: Wie viel Zeit bleibt mir? Was soll ich packen? Soll ich Jeanne und Gret bitten, mich zu begleiten?«
Thomas nahm ihre beiden Hände in die seinen und betrachtete ihre Handflächen, als könne er dort eine Antwort auf die Frage finden, die ihn offensichtlich bewegte.
»Wir werden nicht zusammen reisen. Wir werden für eine ganze Weile Abschied voneinander nehmen.«
»Was? Aber warum denn nicht? Bereust du dein Wort, das du mir in dieser Nacht über Ochsenfurt gegeben hast?« Elisabeth sah ihn entsetzt an.
»Nein! Ganz sicher nicht, und ich zweifle auch nicht an meinen Gefühlen, die ich für dich hege. Ganz im Gegenteil, gerade weil ich dich so sehr achte und liebe, will ich, dass du den richtigen Weg einschlägst und keine überhastete Entscheidung triffst, unter der du dann viele Jahre leiden musst.«
»Ich bin nicht so wankelmütig, wie du denkst«, gab sie gekränkt zurück. »Wenn ich dir mein Wort gebe, dann stehe ich dazu, bis an das Ende meiner Tage.«
»Das glaube ich dir, mein Lieb, doch bist du damit auch glücklich? Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dein Weg wird ein anderer sein, und deshalb sage ich dir nun Lebewohl.«
Elisabeth spürte Verzweiflung in sich aufwallen. Wieder war sie bereit, ihr Herz und ihr Leben zu geben, und wieder wurde sie zurückgewiesen. »Und wenn du dich irrst?«
»Dann kehre ich im Frühjahr wieder, knie vor dir nieder und bitte dich, mit mir nach Bamberg zu gehen und mir als die gnädige Frau Hofapothekerin helfend zur Hand zu gehen.«
Trotzig verschränkte Elisabeth die Arme vor der Brust. »Gut, wenn du mich auf deiner spannenden Reise nicht mitnehmen willst, dann warte ich hier auf dich, bis du zurückkommst, und nehme dich dann beim Wort.«
Thomas seufzte, trat zu ihr und nahm sie in die Arme. Zärtlich küsste er sie auf die Stirn. »Du wirst deinen Weg erkennen, wenn er sich unvermittelt vor dir auftut. Fühle dich frei, ihn beherzt und voller Freude zu betreten.«
Elisabeth schwieg. Sie half ihm, seine Kisten zu verschnüren und in den Hof zu tragen, wo Gottbert sie auf den Wagen lud.
Georg trat zu ihr und wischte eine Träne von ihrer Wange. »Ach Schwesterlein, nun sei nicht so traurig. Du machst uns den Abschied allzu schwer. Versteh doch, dies ist mein Leben. Ich kann nicht länger warten. Ich habe eben in Würzburg die Nachricht erhalten. Der Zug der Handelskarawane bricht nun auf, um gemeinsam über die Alpen zu ziehen und das Schiff in Genua zu erreichen. Ich kann nicht einfach eine spätere Passage nehmen. Man kann den Herbst schon riechen. Wer weiß, wann das Wetter umschlägt, und es ist nicht ratsam, auf See in einen Sturm zu geraten.«
Elisabeth nickte. »Ja, ich weiß. Dennoch musst auch du mir meine Traurigkeit lassen. Was für ein langer, einsamer Winter liegt vor mir! Wochen, nein, Monate auf dem Zabelstein ohne dich und Thomas? Allein der Gedanke lässt mich vor Kälte und Einsamkeit erstarren.«
Georg umarmte sie. »Die Vorfreude auf den Frühling, der uns zurückbringen wird, soll dich wärmen. Und nun Kopf hoch. Willst du mir helfen, meine letzten Kisten zu packen?«
Elisabeth nickte und folgte ihm in seine Kammer.
Und so reisten sie in den ersten Septembertagen ab. Elisabeth stand frierend am äußeren Tor und sah ihnen nach, bis Reiter und Wagen ihren Blicken entschwunden waren.
Derweil gingen die Vorbereitungen für den Zug gegen Karlstadt weiter. Es dauerte allerdings noch fast vier Wochen, bis die drei Schiffe am Kai bereitlagen. Erschwerend war hinzugekommen, dass der Bischof wieder einmal vergeblich die Stadt belagerte und so der Weg zwischen Festung und
Würzburg abgeschnitten war. Allerdings zog er auch dieses Mal nach einer Woche unverrichteter Dinge wieder ab, um sich einem anderen Ziel zuzuwenden. Es ging das Gerücht, nun wolle er Jagstberg einnehmen. Seitdem das Kapitel das Schloss verpfändet hatte, war es im Besitz von Horneck von
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